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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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gehe, wir sehen uns heute Abend im
refectorium

    Sie schauten ihm nach, wie er über den Hof davonschritt. Fidelma wandte sich Eadulf zu. »Ich kann nicht glauben, dass Gáeth das Zeug dazu hat, einen solchen Mord zu begehen. Das Türschloss, die Manuskripte … Nein. Das bringt er nicht fertig.«
    Eadulf zog ein Gesicht. »Aber ein Motiv wäre das schon. Gáeth könnte Donnchad aus seinem Groll heraus getötet haben, weil der ihn schnöde zurückwies. Wäre doch logisch.«
    Fidelma schüttelte den Kopf, doch sie schwieg.

KAPITEL 8
    Das
tech-screptra
, auch
scriptorium
genannt, die Bibliothek also, war ein imposanter Bau aus Holz; es stand mitten im schlammigen Baugrund, denn gleich daneben wuchs das neue Gebäude aus Stein. Bauarbeiter waren emsig am Wirken, schleppten Steine, sägten, nagelten Bretter und Balken. Glassán, der Baumeister, war nirgends zu sehen, doch steckte er gewiss irgendwo in dem geschäftigen Treiben. Immer noch behauptete sich das
scriptorium
als Prunkstück inmitten der alten Bauten der Abtei. Es beeindruckte weniger durch seine Größe als vielmehr durch seinen Baustil. Es hatte einen rechteckigen Grundriss und zwei Geschosse; gewaltige Eichenstämme dienten als Rahmen, den Planken aus roter Eibe ausfüllten. Kunstvolle Schnitzereien, die Bildwerke und verschiedene Symbole darstellten, verzierten das Gebälk.
    Sie betraten die Bibliothek durch schwere Eichentüren und befanden sich in einem riesigen Raum mit einer hohen gewölbten Holzdecke. Auf halber Höhe zog sich um alle Seiten eine Galerie, die gewissermaßen ein zweites Stockwerk bildete und die man an beiden Enden des Saales über steile Treppen erreichen konnte. Selbst Eadulf war überrascht, als er die auf beiden Ebenen rundum laufenden Gestelle sah, von denen die berühmten
tiaga lebar
, die Büchertaschenaus Leder hingen. Die Bücher wurden meist in solchen Taschen aufgehoben. Jede Tasche enthielt ein oder auch mehrere Handschriftenbände, deren Titel außen sichtbar auf einem Schildchen verzeichnet waren. In den Taschen konnte man die Manuskripte nicht nur geschützt aufbewahren, man konnte sie auch darin transportieren, besonders, wenn sich die Missionare auf Reisen begaben. Man ging mit großer Ehrfurcht mit diesen Taschen um. Erzählte man sich doch, als Longarad von Sliabh Mairge, ein Freund von Colmcille und der berühmteste Gelehrte seiner Zeit, starb, wären in selbiger Nacht sämtliche Büchertaschen Irlands von ihren Gestellen gefallen.
    Am hinteren Ende des
scriptorium
befanden sich unter zwei großen Fenstern, die viel Licht in den Raum ließen, sechs Lese- beziehungsweise Schreibpulte. Die glatten Tischplatten ruhten jeweils auf einem geschnitzten Holzsockel. Sechs junge Mönche saßen dort über ihre Bücher gebeugt. Mit der einen Hand führten sie einen Malstock, der das Handgelenk der anderen stützte, mit der sie eifrig am Schreiben waren.
    Ein pausbäckiger Mönch, der die Arbeit eines der Schreiber begutachtete, blickte auf und kam eilends auf sie zugewatschelt. Sein schwerfälliger Gang erklärte sich aus seinem Übergewicht, und seine rosigen Hängebacken bewegten sich bei jedem Schritt mit. Er strahlte sie fröhlich an.
    »Schwester Fidelma! Sei mir willkommen. Herzlich willkommen. Sowie ich hörte, dass du in der Abtei bist, wusste ich, nicht lange, und du würdest bei mir vorbeischauen.«
    Fidelma streckte ihm beide Hände entgegen, um seine fleischige Pranke zu umschließen.
    »Bruder Donnán, schön, dich zu sehen!«
    Es freute ihn offenbar sehr, dass sie ihn wiedererkannte.
    »Seit du das letzte Mal hier warst, sind einige Jahre vergangen. Damals hast du Gericht gehalten …«, begann er.
    »Und du hast mir zur Seite gestanden und geholfen, dass alles in gehöriger Ordnung ablief«, fiel ihm Fidelma ins Wort. Dann machte sie die Männer miteinander bekannt. »Das ist Bruder Donnán, der
leabhar coimedach
. Und das ist Eadulf.«
    »Sei gegrüßt, Bruder Eadulf.« Der Mönch lächelte ihn freundlich an, wurde aber gleich wieder ernst. »Seit wir einen neuen Verwalter haben, gelten nicht mehr die alten Titel und Begriffe. Man nennt mich jetzt
scriptor
, und die Bibliothek ist ein
scriptorium
, nicht länger die
tech-screptra
. Bruder Lugna, unser Verwalter, zieht die römischen Begriffe unseren irischen vor.« Er gluckste belustigt. »Aber er schafft es nicht, dass wir ihn
oeconomus
statt
rechtaire
nennen. In allem will man uns die römischen Gepflogenheiten aufzwingen.«
    »Mir ist gleich bei der

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