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Der Blutkelch

Der Blutkelch

Titel: Der Blutkelch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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ersten Begegnung aufgefallen, dass Bruder Lugna die Tonsur des Petrus und nicht die des Johannes trägt, wie wir sie in unseren westlichen Kirchen bevorzugen«, pflichtete ihm Fidelma bei.
    »Bruder Eadulf macht es nicht anders«, bemerkte der
scriptor
mit einem verschmitzten Lächeln.
    Eadulf nahm ihm das nicht weiter übel. »Reine Gewohnheitssache, ich habe in Rom studiert, später in Tuaim Brecain«, erklärte er. »Ich sehe keinen Grund, es zu ändern.«
    »Ich meinte mehr, dass Lios Mór, soviel mir bekannt ist, bislang an den Gepflogenheiten der Kirchen der fünf Königreiche von Éireann festhält«, versuchte Fidelma deutlich zu machen. »Bruder Lugna scheint der Einzige im Vorstand der Gemeinschaft hier zu sein, der die römische Tonsur trägt.«
    »Das stimmt«, bestätigte Bruder Donnán. »Und es stimmt auch, dass unser
rechtaire
darauf bedacht ist, die Beschlüsse der Synode zu Streonshalh und des Konzils von Autun umzusetzen. Er möchte in der Abtei die römischen Vorschriften und die Regel des Benedikt angewandt wissen. Etliche neue Dinge hat er schon eingeführt.«
    »Und was sagt die Gemeinschaft dazu?«
    »Wir folgen lieber unser eigenen Liturgie. Aber da Bruder Lugna das Amt des Verwalters innehat, setzt er hier und da kleine Veränderungen durch. Mit denen kann man sich abfinden, zum Beispiel mit den Bezeichnungen unserer Ämter. Aber er hat auch damit begonnen, die alten Vorstellungen der
conhospitae
zu unterwandern. Er gehört zu den Reinheitsaposteln, die für das Zölibat einstehen.«
    »Das erklärt, weshalb es auffallend wenige Frauen in eurer Gemeinschaft gibt«, stellte Fidelma fest.
    »Selbst die werden nicht mehr lange da sein. Man hat bereits Vorkehrungen getroffen, sie woanders unterzubringen. Der Gedanke des Zölibats scheint ziemlich rasch um sich zu greifen.«
    »Bei dem Vorhaben, die Abtei baulich völlig umzugestalten, hat Bruder Lugna wohl auch die Hand im Spiel?«
    »Das kann man so sagen, ja. Als er zu uns in die Abtei kam, hat er ständig von den großen Steinbauten geschwärmt, die er in Rom gesehen hatte. Er fand, unsere Abtei sollte diesem Vorbild nacheifern.«
    »Ich dachte, der Umbau war Lady Eithnes Idee, ein ehrendes Gedenken an ihre Söhne? Glaubst du, es war Bruder Lugna, der ihr das eingeredet hat?«
    »Bruder Lugna ist eine starke Persönlichkeit. Er wird bestimmt Abt Iarnlas Nachfolger, wenn der einmal zu den himmlischen Heerscharen aufsteigt«, sagte Bruder Donnánverdrießlich. »Dann wird er mit Sicherheit die Bußvorschriften und die Regel des Benedikt durchsetzen. Wollen wir beten, dass uns Abt Iarnla noch lange erhalten bleibt.«
    »Große Stücke scheinst du nicht auf Bruder Lugna zu halten«, sagte Eadulf leicht belustigt. »Ich habe das Gefühl, der Verwalter ist nicht besonders beliebt, oder?«
    Der beleibte Mönch verzog das Gesicht, ihm war nicht zum Spaßen zumute. »Du hast eine gute Beobachtungsgabe, Bruder Eadulf.«
    »Bruder Lugna kann seine Änderungen nur durchsetzen, wenn er zum Abt gewählt wird und die Gemeinschaft mit seinen Vorschlägen einverstanden ist«, gab Fidelma zu bedenken. »Das gilt für alle Abteien und hiesigen Kirchen. Äbte werden in der gleichen Weise wie Stammesfürsten und Könige gewählt. Die Gemeinschaft einer Abtei ist so etwas wie die Familie des Abts, und deshalb gibt es auch hier die
derbhfine
, das Wählergremium, das den Nachfolger vorschlägt und sich auf ihn einigt.«
    »Das ist richtig, Schwester. Doch wie ich schon sagte, wir wollen hoffen, es kommt noch lange nicht dazu, dass sich Iarnla als Abt verabschiedet. Genug der Plauderei. Ich bin sicher, du hast mich aufgesucht, um mit mir über den Tod des armen Bruder Donnchad zu sprechen. Womit kann ich dir dienen?«
    »Du hast ihn wahrscheinlich sehr gut gekannt«, ging Fidelma sofort auf ihn ein. »Als Gelehrter hatte er weithin einen guten Ruf.«
    »O ja, ich kannte ihn bestens.« Immer, wenn Donnán sprach, arbeiteten die Hängebacken mit, und das sah ziemlich komisch aus. »Ich wurde kurz nach ihm und seinem Bruder Cathal in die Gemeinschaft hier aufgenommen. Beide verbrachten die meiste Zeit in unserem
scriptorium
, wieauch ich.« Er wies mit seiner pummligen Hand in den Saal. »Sie waren beide Gelehrte von beachtlichen Fähigkeiten und für die Bibliothek ein großer Gewinn.«
    »Die Bibliothek hier ist aber auch eine wahre Schatzkammer«, lobte Eadulf.
    Der dicke Mönch reagierte mit Stolz auf das Lob, er nahm es offensichtlich persönlich. »Wir haben

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