Der Blutkelch
markiert. Das Datum, ist das nicht nur wenige Tage, bevor Bruder Donnchad ermordet wurde?«
Der
scriptor
war rot geworden; vermutlich war es ihm peinlich, dass er beinahe den entscheidenden Eintrag übersehen hätte. »Stimmt, das muss eine Woche, bevor er starb, gewesen sein.«
» Contra Celsum
? Worum geht es da?«, fragte Eadulf.
»Thesen gegen Celsus. Auseinandersetzungen mit ihm, er war ein heidnischer Autor.«
»Ich muss gestehen, der Name begegnet mir zum ersten Mal.«
»Es ist sicher besser, wenn ihn niemand kennt«, erwiderte der Mönch. »Er war ein entschiedener Gegner des Wahren Glaubens. Origenes hat die irrtümlichen Auffassungen von Celsus aufgegriffen und nachgewiesen, dass sie falsch sind.«
»Hast du das Werk in der Bibliothek?«, fragte Fidelma.
Bruder Donnán schüttelte empört den Kopf.
»Wie kannst du erwarten, dass wir in einer christlichen Bibliothek eine Schrift von Celsus, einem Heiden, haben, Schwester? Ich finde das sehr befremdlich.«
»Ich meinte das Werk des Origenes. Die Handschrift, nach der Bruder Donnchad gefragt hat.« Fidelma verkniff es sich, darauf hinzuweisen, dass die meisten Bibliotheken über die Werke von Griechen und Lateinern verfügten, die lange vor dem Entstehen des Christentums gelebt hatten.
»Doch, das haben wir … oder besser, das hatten wir. Die Abtei von Ard Mór hat uns gebeten, ihnen das Manuskript zu leihen. Wir tauschen des Öfteren Bücher miteinanderaus. Als Bruder Donnchad es nicht mehr brauchte, haben wir es mit jemandem, der nach Ard Mór reiste, mitgegeben.«
»Ich frage mich, warum sich Bruder Donnchad ausgerechnet mit der Schrift von Origenes beschäftigt hat, in der er sich mit Celsus auseinandersetzt?« Es war mehr eine rhetorische Frage, Fidelma erwartete keine Antwort.
»Man weiß verhältnismäßig wenig über Celsus. Er war vermutlich ein Grieche, der während der Herrschaft des römischen Kaisers Marc Aurel lebte«, gab der Hüter der Bibliothek Auskunft. »Das heißt, er lebte etwa zwei Jahrhunderte nach der Geburt Christi. Sein Hauptwerk hieß
Alethès Lógos
, das ist griechisch und wäre übersetzt
Die wahre Lehre
. Darin zeigte er sich als ein unerbittlicher Gegner der Christen. Er versuchte, sie lächerlich zu machen, bezichtigte sie eines blinden Glaubens bar jeder Vernunft.«
Fidelma war ein wenig unangenehm berührt. In den vielen Jahren, in denen sie sich sowohl den Grundsätzen des Fénechus als auch dem Glauben verpflichtet gefühlt hatte, hatte sie stets ein Unbehagen empfunden, wenn man ihr Fragen, die sie stellte, nicht beantworten konnte. Bei jeder schwierigen Frage hieß es, sie müsste einfach nur glauben. Man hatte zu glauben und nicht den Glauben in Frage zu stellen. Wie würde wohl Origenes argumentiert haben, wenn Celsus ähnliche Fragen aufgeworfen hätte?
»Und worum geht es in dem Buch
Contra Celsum
?«
»Origenes hat darin die von Celsus erhobenen Anwürfe widerlegt. Gelesen habe ich es allerdings nicht.«
»Schade«, meinte Eadulf und seufzte. »Eine Abschrift von Celsus’ Werk hattet ihr hier nie? Wenn es die Arbeit mit der Widerlegung hier gab, wäre es doch nur logisch, auch eine Abschrift von dem Original zu haben?«
»Bruder Donnchad hat das auch gesagt«, erwiderte BruderDonnán. »Aber ich habe ja schon erklärt, in unserer Bibliothek befinden sich nur Bücher von Autoren, die dem Glauben getreulich anhängen. Bruder Lugna legt Wert darauf, dass wir uns strikt an diese Regel halten. Ich musste Werke, die kritische Äußerungen zum Glauben enthielten, entfernen.«
»Manchmal wird man in seinen Auffassungen bestärkt und lernt, wenn man sich mit entgegengesetzten Meinungen auseinandersetzt«, stellte Fidelma philosophisch fest. »Wis sen wir, worum es Celsus bei seinem Angriff auf den Glauben ging? Oder welche Fragen er aufwarf, die einer Widerlegung bedurften?«
»Entscheidend ist, dass wir wissen, dass er im Unrecht war«, erklärte Bruder Donnán fromm.
»Und woher wissen wir das?«
Bruder Donnán sah sie entgeistert an. »Weil es Origenes gesagt hat.«
Fidelma gab es auf.
»Hat Bruder Donnchad irgendeinen Grund genannt, weshalb ihm für seine Forschungsarbeit just an diesem Werk lag?«
»Im Gegensatz zu seinem Bruder Cathal redete er nicht viel. Cathal war immer sehr gesprächig, Donnchad hingegen mehr in sich gekehrt, er war am liebsten mit sich allein oder bevorzugte die Gesellschaft mit dem Einfältigen.«
»Einfältigen?« Eadulf hob die Stimme.
»Bruder Gáeth«, erwiderte
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