Der Blutkönig: Roman (German Edition)
selbst wenn der einzige Nargi, den ihr trefft, blind und taub wäre. Vertraut mir. Ich kann da reinkommen, sie finden und wieder weg sein, bevor ihr es wisst. Kein Problem.«
Jolies böser Blick machte ihre Meinung sehr deutlich. Am Ende des Tisches sagten ihre Mädchen nichts und beschäftigten sich mit ihrem Essen. Auch Nyall behielt seine Meinung für sich, und sah so entschlossen aus, sich nicht in die Diskussion einzumischen, dass er genausogut eine Mauer um sich hätte aufbauen können.
»Wenn wir nicht mit dir mitkommen können«, meinte Tris, »dann denke ich, wir passen hier auf, um sicherzugehen, dass du keine unerwartete Gesellschaft bekommst. Wir werden Nyall helfen, die Pferde zu holen und das Gepäck fertigzumachen.«
»Wir werden morgen früh aufbrechen«, versprach Vahanian, auch wenn seine Stimme selbstsicherer klang als seine Augen aussahen. »Ihr werdet schon sehen.«
Bei Sonnenuntergang war Jolies Haus wieder einmal überfüllt. Jolies Mädchen flatterten wie Vögel mit feinem Gefieder durch den Raum und begrüßten die Gäste. Croupiers riefen Zahlen, während ein Barde einem aufmerksamen Publikum schlüpfrige Geschichten erzählte. Im Hinterzimmer sahen Tris und Kiara Vahanian bei seinen letzten Vorbereitungen zu, bevor er den Fluss überquerte.
»Ich denke, das war’s«, sagte Vahanian und prüfte seine Waffen zum fünften Mal. Er trug die Uniform eines Nargi-Soldaten. Die hatte er Jolie zu verdanken, die etwas davon erzählte, dass der vorige Besitzer in Eile gewesen sei und sie vergessen habe. Über seinen Körper verteilt versteckt war eine ganze Kollektion von Wurfmessern und in seinem Gurt hing sein Schwert. Er wickelte das dunkle Kopftuch der Uniform fachmännisch um seinen Kopf und beendete das Ganze mit einem herabhängenden Stück, das sein Gesicht bedeckte.
»Du hast Glück, dass die Nargi ihre Winteruniformen tragen«, bemerkte Jolie von ihrem Platz am Feuer, an dem sie lehnte. »Dieses Tuch versteckt dein Gesicht. Sehr gute Sache. Du siehst einem Nargi mindestens so ähnlich wie die Göttin selbst.«
»Noch mehr nützliche Kommentare?«, fragte Vahanian.
»Jonmarc, nimm das mit.« In Kiaras offener Handfläche lag eine Tonscheibe an einem Lederband, auf dem eine seltsame, verschlungene Rune eingraviert war.
Vahanian betrachtete das Schmuckstück misstrauisch. »Was ist das?«
»Die Schwestern haben es mir gegeben, als ich aufgebrochen bin. Sie haben mir gesagt, dass ich es wahrscheinlich brauchen würde, wenn ich jemals irgendwo entkommen will und es keinen anderen Weg gäbe. Wenn du es zerbrichst, kann es dich ein Stück weit wegtragen. Konzentrier dich darauf, zu Tris zurückzukehren. Aber ihr müsst zusammenstehen, und euch sogar berühren.«
»Die Schwestern haben dir das gegeben?«, fragte Vahanian mit Skepsis in der Stimme. »Diese Hexenmeisterinnen? Können sie Magie denn einfach so bewirken?« Für einen Moment drehte er die Scheibe in seinen Fingern, als wolle er ausdiskutieren, ob er das Geschenk überhaupt annehmen wollte, doch dann streifte er sich endlich das Lederband um den Hals.
Sakwi erschien an der Hintertür, und schlüpfte aus seinem Mantel. »Der Göttin sei Dank, du hast uns noch nicht verlassen.«
»Was hast du gemacht, mit den Eulen geredet?«
Sakwi nahm die Bemerkung hin, ohne beleidigt zu sein. »Auf eine gewisse Art, ja. Wenn du gehst, werde ich die Tiere des Waldes rufen, damit sie deinen Weg beschützen. Wenn sie dir helfen können, dann werden sie das tun. Sie werden dich als einen Teil ihres Rudels betrachten. Du brauchst dich vor nichts zu fürchten, nur vor den Menschen.«
»Das ist in der Regel schon genug«, erwiderte Vahanian. »Danke.«
»Diese Art von Magie ist sehr anstrengend«, warnte Sakwi. »Ich werde eine Weile brauchen, bis ich mich erhole.«
»Wenn du also nicht mehr tun kannst und Tris nicht mehr tun sollte , weil die Gefahr besteht, dass Arontala an unsere Tür klopft, dann heißt das wohl, ich bin jetzt wirklich auf mich gestellt«, fasste Vahanian zusammen und ließ die Scheibe unter seine Tunika fallen.
»Jonmarc«, sagte Kiara. »Danke. Möge die Hand der Lady mit dir sein.« Sie schlug das Zeichen der Göttin.
»Sei vorsichtig«, bat Tris und fing Vahanians Blick auf. »Ihr habt noch eine Rechnung offen.«
»Mehr als eine.«
Jolie schloss die Hintertür auf, die zu einem Pfad hinunter zum Fluss führte. Sie folgte ihm hinaus und schloss die Tür hinter ihnen beiden. »Du weißt, wie ich über das hier
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