Der Blutkönig: Roman (German Edition)
denke.«
»Ich kann’s mir denken.«
»Diese Heilerin – liebst du sie?«
Vahanian hielt inne und holte tief Luft. Er drehte sich nicht um. »Ja.«
»Und sie dich auch?«
»Das spielt keine Rolle. Sie hat mir das Leben gerettet. Ich kann sie nicht sterben lassen.«
»Ich habe letzte Nacht Jalbet-Karten ausgelegt, zu sehen, was das Schicksal über das hier sagt. Die Zeichen waren dunkel.«
»Die Zeichen sind auch ohne die Karten dunkel. Ich weiß, was ich tue.«
»Das hoffe ich.«
»Warte nicht auf mich.«
E IN KÜHLER W IND strich den Fluss hinab, als Vahanian leise darüber hinweg paddelte. Er war froh, dass die Nargi-Truppen so gut für den Winter ausgerüstet waren.
Er hatte weniger Vertrauen in den Erfolg der Mission, als er Kiara und Tris gegenüber hatte zugeben wollen. Carina und Carroway hatten bereits eine Nacht in den Händen der Nargi verbracht. Wenn sie nicht als nützlich betrachtet wurden, waren ihre Chancen, noch weitere zu überleben, mager.
Schlimmer allerdings war vielleicht der Nutzen, den man ihnen zugestand. Carinas Heilergabe würde nicht zählen, denn sie war eine Frau, was sie nutzlos für Heilungen bei Männern machte. Vielleicht konnte sie ja Geburtshilfe leisten, aber die Vorliebe der Nargi für Vielweiberei machte die Notwendigkeit, diese Qual zu überleben weit weniger wichtig. Er schloss die Augen und versuchte, zu vergessen, was er gesehen hatte, das anderen gefangenen Frauen angetan worden war.
Carroways Los würde bei den Nargi nur wenig besser sein als das Carinas. Barden waren Gesetzlose, wie auch die Spielhallen und Wirtshäuser, in denen sie arbeiteten. Barden brachten auch Neuigkeiten, etwas, das die Nargi-Priester gern selbst kontrollierten. Künstler, wenn sie sich nicht dem Kult um die Vettel verschrieben hatten, wurden mit Misstrauen beäugt.
Nach Carina und Carroway zu suchen würde der einfache Teil der Geschichte sein, dachte Vahanian und zwang sein kleines Ruderboot auf die Uferböschung und versteckte es in den Büschen. Wieder herauszukommen, das war die Herausforderung.
Vahanian verschaffte sich einen schnellen Überblick das Ufer hinauf und hinab und suchte nach Anzeichen seiner Gefährten. Flussaufwärts, beinahe genau gegenüber der Stelle, an der er und die anderen ans Ufer gekommen waren, fand er einen durchweichten Lederbeutel von der Art, wie Carina sie an ihrem Gürtel trug. Da waren Stiefelspuren auf dem schlammigen Boden. Die Flusspflanzen zeigten Spuren eines erst kürzlich stattgefundenen Kampfes, mit zerknickten und zertrampelten Zweigen, die auf einem frisch entstandenen Pfad lagen.
Vahanian hatte plötzlich das Gefühl, das etwas ihn beobachtete und er sah auf, das Schwert bereits in der Hand. Auf dem Pfad vor ihm stand ein großer grauer Wolf, ein ausgewachsener Rüde, gut im Futter und stark. Vahanian erstarrte, als die blauen Augen des Wesens ihn mit wissendem Blick ansahen. Zu seiner Überraschung zeigte das Tier kein Zeichen von Aggression, es bleckte nicht die Zähne oder kam näher. Stattdessen setzte es sich wie ein Hund und wedelte mit dem Schwanz. Dann sprang es wieder auf die Füße, trottete den Pfad hinunter und kehrte zurück. Es legte den Kopf schief, so als wolle es eine Frage stellen.
Sakwi , dachte Vahanian. Die Dunkle Lady hole meine Seele. Kein lebendiger Wolf benimmt sich so, es sei denn, er ist geschickt worden. Das ist das Wahnsinnigste, das ich je gesehen habe . Er machte einen zögernden Schritt nach vorn. Der Wolf schien einverstanden, trat wieder vor und dann wieder zurück und signalisierte ihm damit, ihm zu folgen.
»Ich weiß nicht, wo du mich hinbringst, aber ich hoffe, es ist das Lager.« Er hielt an und schüttelte seinen Kopf. »Wölfe. Ich spreche mit Wölfen. Ich bin einfach schon zu lange mit Spuky unterwegs.« Der Wolf wartete ungeduldig auf ihn und er folgte, immer die Wälder um ihn herum beobachtend und nach Gefahr Ausschau haltend.
Zweimal legte der Wolf seine Ohren zurück und knurrte eine Warnung, rechtzeitig, damit Vahanian sich im Dickicht verstecken konnte, als Nargi-Soldaten vorbeikamen. Über ihm heulten die Eulen ein »die Luft ist rein«, wenn die Gefahr vorbei war. Sein Führer behielt die Geschwindigkeit bei und wählte Pfade, denen Vahanian einigermaßen leicht folgen konnte. Wenn Wölfe so klug sind , dachte Vahanian, dann ist es kein Wunder, dass man sie nicht abschütteln kann, wenn sie erst einmal scharf auf einen sind . Er steckte sein Schwert zugunsten einer kleinen Armbrust
Weitere Kostenlose Bücher