Der Blutkönig: Roman (German Edition)
Fahnlehen. Regen fiel in einem letzten Wintersturm, mit Graupel gemischt. Soterius war einen Kerzenabschnitt lang geritten, seit er seinen Unterschlupf im letzten Dorf verlassen hatte. Dort hatte er seine neuesten Kämpfer rekrutiert und er würde noch einen ganzen Kerzenabschnitt reiten müssen, bevor er sein Ziel erreichte. Obwohl die Abenddämmerung noch nicht hereingebrochen war, schien es dank der schweren grauen Wolken schon viel später zu sein. Soterius erwischte sich bei dem Wunsch, es sei bereits Sonnenuntergang und Mikhail käme wie versprochen.
Die Reise durch das nördliche Margolan war bisher erfolgreich gewesen. Er hatte Tausende von Freiwilligen und Fahnenflüchtigen rekrutiert und in die Reihen seiner Miliz eingegliedert und kleine Rebellengruppen gebildet, um Jareds Truppen zu trotzen.
Die Flüchtlinge und die drei Deserteure aus der margolanischen Armee im Lager in Fahnlehen waren erst der Anfang gewesen. Soterius wusste, es gab eine Menge aufgestauter Wut gegen Jared, aber er hatte keine Ahnung, wie tief diese Hassgefühle gingen oder wie viele Leute sie teilten. Er und Mikhail zogen von Dorf zu Dorf, geschützt von den Verbindungen von Verwandtschaft und Heirat, versteckt in Scheunen und Wagen, Höhlen und Schuppen.
Viele der Tavernenbesitzer hießen sie an der Hintertür willkommen. Sie waren es leid, dass Jareds Truppen ihre Herbergen überfielen und sich alle Freiheiten mit den Frauen nahmen. Soterius und Mikhail schliefen in Gruften und Hügelgräbern, bewacht von den Geistern und den Untoten. Draußen in den Dörfern gehörten zu den Sippen die Lebenden, die Toten und die Untoten. Die Verwandtschaftsbande waren so eng wie nur ein Blutschwur; und Soterius stellte fest, dass viele der Familien sich in den Grenzlanden von Dorf zu Dorf zogen. Soterius entdeckte die Dörfer als ein eng verwobenes Netz von Familien, ähnlich wie die Adligen bei Hofe. Generationen um Generationen, einschließlich Vayash Moru und Geister gehörten dazu.
Möglichkeiten, um die Fähigkeiten ihrer Auszubildenden zu testen gab es genug. Soterius und Mikhail führten Scharmützel gegen Jareds Truppen an, die ihren eigenen Ruf festigten und Freiwillige für ihre Sache anlockten. Als sich die Siege häuften, konnte Soterius auch seine Vorräte an Uniformen, Waffen, Wagen und Pferden aufstocken. Die versteckte er in den Höhlen, die die Hügel durchzogen, bis die Zeit reif war und eine eigene Armee in Richtung des Palastes marschieren konnte. Die Freiwilligen aus den Dörfern waren Männer, die Jareds Truppen nicht zwangsverpflichtet hatten, weil sie zu alt waren; Frauen, die unter der Lust der Soldaten gelitten hatten; oder sie hatten Töchter und Söhne an die margolanische Armee verloren. Die, die ihre Dörfer verlassen konnten, wurden von Soterius und Mikhail für den Kampf trainiert, und die beiden brachten ihnen auch bei, wie man das Land selbst in eine Waffe verwandelte. Die, die nicht fortgehen konnten, wurden zu Spionen und gaben Nachrichten weiter, was so wertvoll war wie Munition. Willige Tavernenwirte wurden zu wichtigen Torwächtern des Widerstands, notierten die Truppenbewegungen und die Anzahl der Soldaten, die durch eine Region kamen. Mikhail, der ein ordentlich begabter Musikant war, sorgte dafür, dass die Barden, die er traf, Carroways trotzige Lieder lernten. Er fügte den Geschichten der Barden Erzählungen von Tris’ Können als Seelenrufer hinzu. Dank Mikhail bezweifelte Soterius nicht, dass Carroway alle Barden und Geschichtenerzähler würde zusammentrommeln können, um in der Nacht des Hagedornmonds innerhalb des Palastes ein wahres Chaos anzurichten.
Der Mut der Rebellen wuchs mit jedem Sieg gegen Jareds Armee. Nach ein paar Monaten fiel Soterius auf, dass die Armee sich nur noch in großen Gruppen nach Norden wagte. Die Rebellen waren zu diesem Zeitpunkt schon gut genug ausgebildet, um den Eindringlingen das Leben sehr schwer zu machen, sie in ständiger Furcht zu halten und zu verunsichern. Soterius zeigte den Dorfmilizen, wie sie zahlreicher erscheinen konnten, als sie eigentlich waren und Mikhail brachte ihnen bei, wie man sich lautlos bewegte und sich versteckte.
Die engen Familienbande der Dorfbewohner brachten noch einen weiteren unerwarteten Vorteil mit sich. Soterius wusste, dass Tris den Geistern der Scirranish seinen Segen und damit die Möglichkeit gegeben hatte, sich und ihre Familien zu rächen. Tris hatte diesen Geistern auch die Kraft gegeben, sichtbar zu werden. Als die
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