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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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Augen glitzerten lüstern, wie um diese Fantasie noch zu bekräftigen. Selten war sie einem kaltblütigeren Menschen begegnet, und sie dankte den himmlischen Kräften insgeheim, dass sie ganz gewiss nicht sein Opfer werden würde. Ihr Arm schoss vor – und im selben Augenblick stand Morgan hinter dem Sterblichen, um ihn zu überwältigen. Ihre Hände stießen aneinander, ein Schuss löste sich und ihr Gegner ging in die Knie. Morgan warf sich über Vivianne und für Sekunden schien die Welt stehen zu bleiben.
    «Au!» Doch anstatt sich umgehend von ihm zu befreien, genoss Vivianne den unerwarteten Kontakt. Die Reaktion ihrer Sinne war weniger überwältigend als am vorherigen Abend, obwohl sie ihn da nur ganz kurz berührt hatte. Aber dies mochte daran liegen, dass sie beide gestern nicht nur unter einer noch höheren Anspannung gestanden hatten, sondern auch hungrig gewesen waren. Dennoch, der Vampir fühlte sich noch besser an, als sie es auf den ersten Blick vermutet hätte. Morgans Körper wirkte durchtrainiert und die Wärme, die er ausstrahlte, ließ ihre Wangen erglühen. Es war noch nicht lange her, dass er ausgiebig getrunken hatte.
    Natürlich fand sie ihn nicht wirklich attraktiv. Es war nur die Verzweiflung, die eine geborene Vampirin aus gutem Hause dazu bewegen konnte, seine Nähe zu dulden. Ihr letzter Snack «aus der Quelle», wie er es recht bildhaft formuliert hatte, lag eine gefühlte Ewigkeit zurück. Dummerweise hielt sie sich nämlich neuerdings an die Vorschriften ihrer Brüder. Nur im äußersten Notfall gestattete sie es sich noch, das warme Blut eines Sterblichen zu genießen. Oder beim Liebesspiel. Dies war nämlich auch erlaubt, wenn beide Partner einverstanden waren und, im Falle eines Sterblichen, gewährleistet war, dass dieser das volle Ausmaß seiner Hingabe anschließend vergaß und dabei keinen Schaden erlitt. Dazu bedurfte es allerdings einer Selbstbeherrschung, die so junge Vampire wie Vivianne selten aufbrachten. Also war ihnen diese höchste Form der Nahrungsaufnahme genau genommen verboten. Als ob sich einer daran halten würde. Ich jedenfalls bin schon Ewigkeiten viel zu brav. Wie lange ihr letzter intimerer Kontakt zu einem Mann wirklich zurücklag, das wussten ihre Hormone augenscheinlich noch besser, als die in diesen Dingen eher subjektive Erinnerung. Viviannes Zähne begannen, sich im Kiefer bemerkbar zu machen. Diese verdammten Regeln! Gegebene Versprechen hielt sie ein – so gut es eben möglich war, das war eine Sache der Ehre. Ich weiß genau, dass dieser missgünstige Charakter von einem Bruder einen Bann über mich verhängt hat! Ganz bestimmt war es kein Zufall, dass sich in letzter Zeit kein attraktiver Sterblicher mehr mit ihr einzulassen wagte. Sie flirteten, zeigten Interesse und verabredeten sich auch bereitwillig mit ihr zu einem intimen Tête-à-tête. Doch sobald der Termin nahte, sagten die anständigeren von ihnen mit fadenscheinigen Ausreden ab. Andere blieben gleich fort, so wie der nette Schauspieler, dessen Abendessen Nabrah verschlungen hatte. Vivianne wusste: An ihrem Aussehen konnte es nicht liegen. Sie war nicht eitel, aber sie wusste um ihre Attraktivität, die in früheren Jahren für eine durchaus befriedigende Anzahl an Verehrern gesorgt hatte. Außerdem wirkten die meisten Vampire auf Sterbliche außerordentlich anziehend, sobald sie es darauf anlegten. Und das tat Vivianne inzwischen in manchen Nächten sogar bis an die Grenze peinlichster Selbstverleugnung.
    Morgan allerdings stand gerade unter keinem Keuschheitsbann. Im Gegenteil, er wirkte, als fände er durchaus Gefallen an ihrer etwas unglücklichen Lage, und beugte sich über ihren Hals, bis sie seine Haarspitzen an der Wange fühlte. Sie drehte ihren Kopf ein wenig und erwartete, gleich seine Lippen zu spüren – da sprang dieser unmögliche Vampir doch tatsächlich auf!
    Er schüttelte den erschrockenen Schützen, dessen Arm er erstaunlicherweise die ganze Zeit eisern festgehalten hatte. Statt der zu erwartenden Panik erschien ein verträumtes Lächeln im Gesicht des Sterblichen. Gleich darauf wurde sein Blick aber leer und die Augen rollten nach hinten.
    Morgan packte den Mann am Kragen, zerrte ihn in das Büro hinter dem Empfang und warf ihn auf einen Sessel. Das gefleckte Braun seiner Iris war zu einem wirbelnden Grün geworden und er konzentrierte sich mit einer Intensität auf den ohnmächtigen Mann, die nahezu manisch wirkte. Fast glaubte Vivianne, die ihn fasziniert

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