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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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entfernt.»
    «Wo?»
    «Willst du wirklich dort hin?» Als er ihre Frage ungeduldig bejahte, bog sie auf den breiteren Boulevard ab und bedeutete ihm, ihr zu folgen. Sie war sich sicher, dass auch ein paar ihrer Models heute dort sein würden. Mit ein wenig Glück, so hofften manche der Mädchen oder Männer, lernte man in der luxuriösen Umgebung einflussreiche Leute aus der Modewelt oder gar einen großzügigen Mäzen kennen. Vielleicht dachte das auch dieser niedliche Amerikaner, der neu in ihrer Agentur war und der bei seinem Antrittsbesuch in Paris nicht nur das Interesse einiger wichtiger Kunden geweckt hatte. Man sagte Vivianne nicht ohne Grund nach, sie habe einen Riecher für Erfolg. Der Junge war wirklich süß und garantiert hetero. Das wisse sie aus erster Hand, hatte die Bookerin seiner Mutteragentur in New York behauptet. Und Viviannes Libido war nach ihrem Zusammenprall mit dem «Vagabond», wie sie Morgan insgeheim nannte, überaus aktiv. Eine Stippvisite im Club konnte gewiss nicht schaden. Dort gäbe es vielleicht eine Gelegenheit, ihre Gelüste zu befriedigen, wenn auch ohne das Sahnehäubchen in Form eines bis zur Neige sättigenden Schluckes. All das war in der Öffentlichkeit leider viel zu riskant. Bestimmt wollte sie Morgan nicht zurückhalten, wenn er darauf bestand den Club zu besuchen, trotzdem fragte sie: «Wieso glaubst du, dass wir auf der richtigen Spur sind?»
    «Niemand geht tanzen, wenn er später in der Nacht in eine der wohl am besten geschützten Wohnungen von Paris einsteigen will, um dort gezielt nach einem einzigen Schmuckstück, oder was auch immer, zu suchen.»
    Ihm war also aufgefallen, dass die magischen Knoten, die ihr Apartment sicherten, entschlüsselt worden waren. Natürlich, er wäre kein Vampir, hätte er deren vibrierende Energien nicht bemerkt. Die Frage war nur, wie es den Sterblichen gelungen sein konnte, einen Zauber zu brechen, an dem sich die meisten Vampire ebenso die Zähne ausgebissen hätten wie alle anderen Geschöpfe ihrer Welt. Offenbar wollte Morgan nichts weiter dazu sagen, und Vivianne fürchtete, mit einer unbedachten Frage das Ausmaß der Katastrophe zu enthüllen. Also schwieg sie. Sollte er nur glauben, dass er sie lediglich dabei unterstützte, die Juwelen einer Freundin zu suchen. Irgendwie war es ja niedlich, dass er ihr dabei half. Offenbar hatten ihm seine längst verstorbenen Eltern doch ein paar ordentliche Umgangsformen beigebracht. Sie tippte auf verarmten Landadel. Englisch, wenn der leichte Akzent sie nicht täuschte. Einige Vampire legten ihre alten Weltbilder nur schwer ab. Und ein Gentleman musste einer Lady eben helfen, so einfach war das. Vivianne hatte überhaupt nichts gegen ein solches Verhalten einzuwenden, und solange er keinerlei Fragen stellte, war ihr Geheimnis sicher. Sobald sie diesen Dieb ausfindig gemacht hatten, würde sie Morgan höflich danken und in die Wüste schicken. Der Sterbliche allerdings hatte ausgezeichnete Chancen, seinen Größenwahn mit dem Leben zu bezahlen. Kein Gesetz der Welt konnte sie davon abhalten, Rache zu nehmen für all den Ärger, den er ihr jetzt schon bereitet hatte. Und sie spürte es in ihren Knochen, dass dies erst der Anfang war. Nach einem lautlosen Fluch sagte sie über die Schulter zu Morgan: «Dumm, dass ich den Wagen fortschicken musste. Wir hätten dir sonst noch rasch etwas zum Anziehen besorgen können.» Vivianne bog in eine schmale Straße ein, wo zahllose Partygänger vor dem hohen Portal warteten, durch das man in den Club gelangte. Das Haus war hell beleuchtet und zuweilen winkte der Türsteher einige wenige durch oder ließ Gäste des ebenfalls sehr exklusiven Restaurants passieren.
    Morgan trat neben sie und sah an sich herab. «Soweit ich sehen kann, bin ich nicht nackt.»
    «Dann hättest du bessere Chancen. So lassen die dich nicht einmal rein, wenn du Schuhe tragen würdest.»
    «Natürlich, die Königin der Nacht beurteilt ihre Umwelt ausschließlich nach Äußerlichkeiten.» Morgan gab einen abfälligen Laut von sich. «Du solltest besser selbst einmal in den Spiegel gucken.»
    «Sehr höflich bist du nicht», gab Vivianne zurück und dachte dabei, dass sie mit ihrer Vermutung über seine Herkunft wohl ins Schwarze getroffen hatte. Bestimmt war er ein jüngerer Sohn gewesen, dessen standesgemäße Ausbildung so viel Geld gekostet hatte, dass er in allen anderen Dingen mit seinen besser begüterteren Schulkameraden nicht hatte mithalten können. Erfahrungen dieser

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