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Der Blutkristall

Titel: Der Blutkristall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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zu Zögern in die vorübergehende Sicherheit einer anderen Dimension. Hier am Übergang zwischen beiden Welten konnte sie die Konturen der Häuser noch sehen und winkte ihrem Verfolger übermütig zu, der an der Dachkante stand und unsicher hinunterblickte. Dann hörte sie ihn dem anderen Vampir etwas zurufen, das sich wie « abgestürzt » anhörte. Seine Stimme klang, als würde man eine Aufnahme in ungleichmäßigem Tempo wiedergeben. Offenbar gehörte er nicht zu den Vampiren, die sich ohne Weiteres in die Zwischenwelt begeben konnten, und glaubte deshalb, sie sei vom Dach gefallen. Dieser Irrtum verschaffte ihr einen wichtigen Vorsprung. Ihr war klar, dass sie auch hier verfolgt werden konnte, und deshalb ließ sie sich langsam weitertreiben, ohne allerdings die trennende Wand zu ihrer Welt aus den Augen zu lassen. Sobald sie glaubte, weit genug vom Haus entfernt zu sein, machte sie einen mutigen Schritt und hoffte das Beste. Tatsächlich verschwand das Gefühl von Schwerelosigkeit und mit einem hörbaren Plumps landete sie auf ihrem Hinterteil mitten in einem Blumenbeet. «Au! Das muss ich wohl noch üben.» Schnell stand sie auf und stellte erfreut fest, dass es keine Zeugen für ihre unsanfte Rückkehr gab. Leider hatte sie keine Ahnung, wo sie sich befand. Die Zwischenwelt war tückisch, und wenn man nicht aufpasste, so hatte sie gelernt, fand man sich schnell mal auf der anderen Seite der Erdkugel und womöglich auch noch im gleißenden Sonnenschein wieder.
    Punktlandung. Bonsoir, mein Herz. Diese Stimme kannte Vivianne, und als sie sich suchend umsah, entdeckte sie die Silhouette des Raben in einem blattlosen Baum. Mit einer Hand klopfte sie die feuchte Erde von ihrem Mantel, die andere streckte sie einladend aus. «Woher weißt du ...? Ach egal, du kannst dich nützlich machen.» Nabrah war vielleicht ihr einziger Vertrauter und er war bisher immer außerordentlich gut informiert gewesen. «Wo ist der Blutkristall?»
    Der Vogel öffnete seine Schwingen und kam von seinem luftigen Sitz heruntergesegelt. Er landete auf ihrem Arm und sah sie an. Im Dieb?
    «Sehr witzig, darauf bin ich auch selbst gekommen. Aber dieser Salai ist uns entwischt. Genauer gesagt, Morgans Geliebte hat ihn freigelassen. Aber sicher weißt du das ebenfalls längst.» Vivianne schob eine Haarsträhne, die sie an der Wange kitzelte, mit einer ungeduldigen Handbewegung hinters Ohr. «Bitte!»
    Der Vogel legte seinen Kopf schräg und sah sie an. Was würdest du tun, wenn ich tatsächlich gesehen hätte, wohin er gelaufen ist?
    «Ihm folgen natürlich, was denkst denn du?»
    Und Morgan?
    «Der kann mir mal gestohlen bleiben. Ich hätte ihm von Anfang an nicht trauen dürfen. Warum hat er diese Edna vor mir geheim gehalten? Es ist doch gar kein Problem, dann hat er eben eine Freundin. Aber nein, mich macht er an und sein Weibchen liegt währenddessen zu Hause im Sarg. Kein Wunder, dass sie einen Wutanfall bekommen hat, als sie mich in ihrer Wohnung sah.»
    Der Rabe gab ein Geräusch von sich, das verdächtig nach einem Lachen klang, dann erhob er sich von ihrem Arm und flog in den Baum zurück. Die Dinge sind nicht immer das, wonach sie auf den ersten Blick ausschauen. Aber ich stimme dir zu, er sollte die Wahrheit über Edna sagen.
    «Das kann er sich sparen. Ich wüsste viel lieber, wo Salai ist.»
    Und was tust du dann?
    «Keine Ahnung, irgendetwas wird mir schon einfallen. Ich kriege den Stein wieder, und wenn ich ihn aus ihm herausschütteln muss!»
    Das klingt nach einem Plan, also komm! Nabrah erhob sich in die Luft und der Wind rauschte in seinen Schwingen, als er vor ihr durch den dunklen Park flog. Vivianne schnappte sich ihren Beutel und lief hinter ihm her.
    Eine halbe Stunde später blieb sie stehen, zwar nicht atemlos, aber doch reichlich erschöpft. Sie mochte eine Vampirin sein, aber keine besonders trainierte, wie sich jetzt aufs Neue herausstellte. Der Vogel war nirgendwo zu sehen. Und jetzt? , fragte sie lautlos.
    Wenn wir Glück haben, ist er noch dort. Damit brach die Verbindung ab. Vivianne war wieder auf sich allein gestellt. «Wie immer», knurrte sie. Vor ihr lag ein kleiner Platz, rechts begrenzt von einer Häuserzeile, die im Wilhelminischen Stil erbaut war, links von einer S-Bahn-Trasse, unter der sich zahlreiche Restaurants und Läden befanden. Gerade wollte sie die Straße überqueren, da kam eine Tram um die Ecke gerumpelt. An Verkehrsmitteln hat es in dieser Stadt wirklich keinen Mangel , dachte sie und

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