Der Blutmond
fühle mich so schuldig", meinte Luna und umschlang ihren Oberkörper mit ihren Armen. Onyx kam auf sie zu und nahm sie in den Arm.
"Ich hoffe, wir müssen so etwas Widerwertiges nie wieder tun", murmelte Luna in Onyxs Armbeuge, in die sie ihr Gesicht schmiegte.
"Sie wollten damit nur unsere uneingeschränkte Loyalität prüfen. Bald ist ihr Misstrauen uns gegenüber vorüber. Wir müssen es einfach nur aussitzen", beschwichtigte er sie.
*****
Seit Mimma und Ardric ihre Weltreise, auf Anordnung der Ältesten, abrupt abbrechen und nach Hause zurückkehren mussten, wurde sie zunehmend nachdenklicher. Zurück in der Stadt, in der sie sich ein Leben aufgebaut hatte, um es dann aufzugeben. Die Stadt, in der alles begann um zu enden, um wieder zu beginnen. Sie fragte sich, ob sie ihre Menschlichkeit leichtfertig hergegeben hatte. Ardric gab sie keine Schuld, denn er hatte ihr die Wahl gelassen. Hatte sie überhaupt je eine Wahl gehabt? So kurz vor dem Tod, wer hätte da nicht dieselbe Entscheidung wie sie getroffen. Sie fragte sich wie ihr Leben wohl aussähe, wenn sie andere Entscheidungen getroffen, eine andere Stadt für ihren Neuanfang ausgewählt hätte. Hätte sie Freunde, einen festen Freund, der sie aufrichtig liebte und womöglich sogar eine eigene Familie gehabt? Oder war ihr Schicksal unausweichlich und nur eine Frage der Zeit gewesen? War es ihr vorherbestimmt kein Leben als Mensch zu führen, sondern eine Existenz zwischen Leben und Tod? War sie seit ihrer Geburt dazu verdammt als Vampir die Ewigkeit zu fristen?
Mimma saß auf der Couch im Apartment und starrte lethargisch den mit dunkelgrauen Wolken behangenen Himmel an. Schwer und düster hingen die Wolken über den Dächern der Stadt und spiegelten ihren momentanen Zustand wider. Auf ihrer Weltreise war es ihr möglich gewesen, durch all die neuen Eindrücke vor ihren Gedanken zu flüchten, doch nun holten sie sie ein und zwangen sie, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. In ihrem Kopf herrschte ein innerer Konflikt, dem sie nicht zu entfliehen vermochte. Erst jetzt wurde ihr richtig bewusst, dass sie kein Mensch mehr war, sondern ein Vampir, ein Geschöpf der Nacht. Eine Bestie, geboren um zu töten. Mimma fühlte sich hilflos. Zweifel kamen in ihr auf, ob sie stark genug war für die Ewigkeit. Eine ungewisse Zukunft, mit einer Gewissheit, nämlich die ihrer Unsterblichkeit. War sie dazu bereit, im Stillen auszuharren und mit anzusehen, wie sich die Menschheit und die Welt mit der Zeit, vor ihren Augen veränderten? Sie wusste keine Antwort darauf, was ihr umso mehr Angst bereitete.
"Du bist heute so still. Kann ich dir irgendwas Gutes tun?", wollte Ardric von ihr wissen und ließ sich neben ihr auf der Couch nieder. Mimmas Gesichtsausdruck blieb unverändert. Ihre Augen saugten sich weiterhin an dem dunkelgrauen Himmel fest. Durch die weit ausladenden Fenster kam es ihr fast so vor, als ob sie mitten drin in den Wolken saß und von der Düsternis umhüllt wurde.
"Ich kenne diesen Gesichtsausdruck nur allzu gut. Ich weiß genau, was du durchmachst", meinte Ardric mitfühlend und legte seine Hand auf ihren Oberschenkel, um seine Anteilnahme auszudrücken.
"Fass´ mich gefälligst nicht an!", zischte sie zwischen ihren Zähnen hindurch.
"Mimma, lass mich dir doch helfen. Ich selbst habe das auch schon durchgemacht."
"Ich brauche deine Hilfe nicht. Lass mich gefälligst zufrieden", erwiderte sie harsch.
"Auf gar keinen Fall!
Ich habe schon genug Vampire deswegen sterben sehen, weil sie verrückt wurden und es nicht mehr aushielten. Sie haben sich vom Wahnsinn getrieben in die Sonne gestellt und verbrannten vor meinen Augen, ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte.
Du wirst dir also von mir helfen lassen müssen, ob du willst oder nicht, denn ich werde nicht zulassen, dass dich dasselbe Schicksal ereilt!", sagte Ardric streng und zwang Mimma ihn anzusehen. Ardric sah ihr tief in die Augen und konnte kaum noch emotionale Regungen bei ihr entdecken. Ihr Bewusstsein glitt langsam in die Dunkelheit.
"Das was du gerade durchmachst ist reinster, qualvoller Kummer.
Er sitzt so tief in deinen Eingeweiden, dass du glaubst, nichts mehr empfinden zu können. Er überwältigt all deine Sinne, bis er dich in den Wahnsinn treibt.
Doch das darfst du nicht zulassen, Mimma. Hörst du mich. Lass es nicht zu!", flehte er und packte sie an den Schulter, als wollte er sie wachrütteln.
"Wie? Wie hört es endlich auf?", fragte Mimma mit schwacher Stimme. Ein
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