Der Blutmond
hast." Raven sah den Alten schief an.
"Selbst wenn ich es tatsächlich schaffen sollte, mir einen der Vampire zu schnappen, so hätte ich doch niemals genügend Zeit, um mir anschließend gleich noch einen Werwolf zu krallen!", hielt ihm Raven die Schwachstelle seines wahnwitzigen Plans vor Augen.
"Damit hast du natürlich Recht. Und da komme ich ins Spiel. Ich bin ein Werwolf. Keiner rechnet damit, dass ich mich dir anbiete, damit du mein Blut trinken kannst. Wir haben also das Überraschungsmoment auf unserer Seite", erklärte ihm Black weiter. Raven war sich unsicher, ob er richtig verstanden hatte, was sein einstiger Ziehvater von ihm verlangte.
"Du willst also, dass ich dein Blut trinke?" Henry Black nickte einmal.
"Aber das hieße doch, dass ich dich töten müsste! Auf gar keinen Fall. Das kommt nicht in Frage!", protestierte Raven und sprang augenblicklich auf. Nervös lief er in der Zelle auf und ab, soweit es in dem begrenzten Raum möglich war.
"Und was ist, wenn wir uns täuschen?Wer weiß, vielleicht bin ich gar kein Mischwesen, wie Colin behauptet, sondern ein gewöhnlicher Mensch", meinte Raven und dachte angestrengt nach.
"Da muss ich dich enttäuschen! Von dir geht ein seltsamer Duft aus, der alles andere als menschlich ist. Du weißt weder die geruchstypischen Merkmale eines Lykanthropen auf, noch die eines Untoten.Eigentlich hätte ich mir darüber schon eher Gedanken machen müssen, doch damals stand einfach nicht zur Debatte, dass du einer völlig neuen und überlegenen Rasse angehören könntest. Aus diesem Grund denke ich, nein ich bin mir sogar sicher, dass dein Bruder tatsächlich Recht hat." Henry sah in voller Mitgefühl an, denn er wusste, wie verstörend das alles für Raven sein musste.
"Pah, von wegen Bruder! Offensichtlich gehören wir nicht einmal derselben Art an.Es muss noch eine andere Möglichkeit geben!", widersprach er ihm energisch.
"Nein, es ist die einzige Möglichkeit, die uns bleibt. Es ist die einzige Möglichkeit, die Dir bleibt!Ich bin alt und habe mein Leben bereits gelebt. Außerdem bin ich mir sicher, dass Colin mich umbringen wird, sobald er mit dem Ritual fertig ist. Das habe ich in seinen Augen gesehen.Also warum solltest du mein kostbares Blut verschwenden? So bin ich zumindest noch für etwas nützlich." Der alte Mann redete auf den aufgebrachten Burschen weiter ein, der sich heftig gegen diese Vorstellung sträubte.
"Mag sein, dass wir nicht blutsverwandt sind, doch du hast mich aufgezogen und geliebt wie deinen eigenen Sohn. Du bist mein Vater! Wie könnte ich das jemals übers Herz bringen? Ich bin einfach kein Mörder!" Raven fasste sich an den Kopf. Er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er war außer sich, dass sein Vater so etwas von ihm verlangte.
"Du musst dich jetzt entscheiden, Junge!", drängte er seinen Sohn, der ihm empört den Rücken zuwandte und seine Arme vor der Brust verschränkte.
"Ich kann es nicht! Das kann ich einfach nicht tun!", wiederholte er kopfschüttelnd, als er plötzlich schmerzverzerrte Schreie vernahm, die ins Höhleninnerde drangen, von den Wänden als Echo zurück geworfen und verstärkt wurden.
"Mimma? Das ist doch Mimma!", stammelte Raven erschrocken. Die Schreie nahmen zu und wurden immer panischer. Raven stürmte zu den Gitterstäben und rüttelte mit aller Macht daran.
"Mimma! Mimma!", brüllte er verzweifelt.
"Oh Gott, was macht ihr bloß mit ihr? Dreckschweine!", schrie er aufgebracht. Er fühlte die Schmerzen und die Angst, die in den Schreien seiner Geliebten herauszuhören waren. Sie musste furchtbare Qualen durchstehen, denn die Schreie ebbten einfach nicht ab. Raven zitterte vor Wut und Hilflosigkeit.
"Tu es, Junge! Jetzt oder nie!", raunte ihm der Alte zu. Mimmas Wehklagen war unerträglich. Raven hielt sich die Ohren zu, doch er konnte sie noch immer hören. Es blieb ihm keine andere Wahl, als sein Versprechen nun einzulösen. Er kniete sich neben Henry. Von Trauer, Wut und Angst hin und hergerissen, war er nicht dazu imstande, seinem Vater in die Augen zusehen. Dieser hielt ihm sein zusammengeknülltes Unterhemd hin.
"Hier, press mir das sicherheitshalber auf den Mund, damit man mich nicht hören kann", meinte er. Wie mechanisch nahm er den Stoffballen an sich und heftete seinen Blick stur auf den Hals von Black. Seine Haut war ledrig und mit Pusteln übersäht, die von der letzten Rasur her stammten.
"Nun mach schon!", zischte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch. Trotz Mimmas Schreie, die in
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