Der Blutmond
sich durch seine Gehörgänge schlängelten und gegen seine Trommelfelle hämmerten, fehlte ihm der Antrieb, um seinem geschworenen Eid Folge zu leisten. Henry legte eine Hand um Ravens Nacken und führte seinen Kopf dicht an seinen Hals heran. Er ließ sich ohne Widerstand leiten.
"Ich kann nicht alles für dich machen. Zubeißen musst du schon selbst, Raven!". Er bot sich seinem Ziehsohn regelrecht an, indem er ihm seinen Hals hinstreckte. Das Flehen in seiner Stimme und die abschwellenden Schreie von Mimma waren die ausschlaggebende Impulse, die ihn dazu brachten, seinen Widerwillen auszublenden und einen Mord zu begehen, in der Hoffnung dieser würde zum Wohle aller sein. Er roch die säuerlichen Ausdünstungen auf seiner Haut, als er sich mit seinen rauen Lippen der Hauptschlagader näherte. Er presste seinen Mund auf die Stelle an der er zubeißen wollte, doch er zögerte. Mit der Zungenspitze schmeckte er den salzigen Schweiß und ertastete den Widerstand der Sehnen und Nervensträngen, die an dieser Stelle verliefen.Henry Black schloss seine Augen und gab ihm somit sein stummes Einverständnis.
"Verzeih mir, Vater", flüsterte Raven und drückte ihm den Stoffballen auf den Mund. Es kostete ihn all seine Überwindung, doch dann setzte er entschlossen seinen kräftigen Kiefer ein und biss mit seinen scharfkantigen Zähnen einen Fetzen der Haut heraus. Diese war zäh wie ein altes Stück Leder. Durch schnelle und reibende Bewegungen der Schneidezähne arbeite er sich vor, bis die Spannung der Haut nachließ und er sie mühelos abreißen konnte. Angewidert spuckte Raven das Fleisch aus. Er kam sich vor wie ein Kannibale. Henry strengte sich an, doch der Schmerz ließ ihn aufstöhnen. Jedoch dämpfte das Stoffknäuel in seinem Mund die Laute, sodass es niemand hören konnte, solange man sich nicht direkt in der Zelle befand. Kalte Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er wurde blass und sein Herz hämmerte wie wild in seiner Brust. Sein Körper wehrte sich gegen die Schmerzen. Raven war bereits dazu übergegangen, seine Lippen über die klaffende Wunde zu stülpen und das herausquellende Blut zu trinken. Er befürchtete, dass er bei der Menge Blut die er trinken musste, größte Anstrengungen haben würde, seinen Würgereiz zu unterdrücken. Widererwartend machte es ihm nichts aus. Der körperwarme Saft schmeckte ihm sogar und ließ ihn vergessen, wen er vor sich hatte. Er umklammerte den reglosen Körper und saugte gierig weiter. Erst zum Schluss, als er fühlte, wie Henrys Puls sich verlangsamte, bis der Herzschlag endgültig aussetzte und sich sein Körper versteifte, ließ er von ihm ab.Raven legte seinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen, denn die Wirkung des Werwolfbluts in seinem Kreislaufsystem haute ihn beinahe um. Er spürte wie seine Muskeln anschwollen. Die Fasern rissen und die dadurch entstandenen Lücken wurden mit Eiweißen aufgefüllt. Seine Knochendichte verstärkte sich und auch seine Sehnen wurden strammer. Er konnte fühlen, wie er bei jedem Herzschlag ein wenig stärker wurde. Doch noch war die Verwandlung nicht abgeschlossen. Dennoch war eine starke Veränderung seines Körpers zu verzeichnen. Er hatte mehr Energie und mehr Kraft zur Verfügung.Nun glaubte auch er daran, eine Chimäre zu sein. Es gab gar keinen Zweifel daran, dass seine Transformation nun begonnen hatte. Raven verwischte sämtliche verräterischen Blutspuren und drapierte den leergesaugten Leichnam so, dass es aussah, als ob sein Mitinsasse schlafen würde.
Anschließend hielt er für Henry Black eine Schweigeminute ab, um sich für sein selbstloses Opfer zu bedanken. Für alle Zeiten würde er ihn als seinen heldenhaften Vater in seinem Herzen bewahren.
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Elester trat an Colin heran, der geduldig dabei zusah, wie Mimma am Kreuz gefesselt von Minute zu Minute schwächer wurde. Die Karaffe füllte sich mit ihrem Blut und war bereits halbvoll. Mittlerweile hatte sie keine Kraft mehr um sich die Seele aus dem Leib zu schreien. Stattdessen winselte und stöhnte sie bloß noch. Würde sie nicht von den Metallmanschetten aufrecht gehalten werden, wäre sie schon längst zusammengebrochen.
"Colin, mein Freund. Wie ich sehe bist du vollauf zufrieden mit unserer Arbeit. Jinx und ich haben unseren Teil der Abmachung eingehalten und nun möchte auch ich dich an deine Vereinbarung erinnern", merkte er an. Colin rümpfte die Nase. Die Wortwahl gefiel ihm nicht, denn der Vampir gehörte nicht zu den Personen, die ihn
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