Der Blutmond
ich mich wieder an diese Höhle erinnert. Sie liegt tief in den Wäldern verborgen und kann auch übersehen werden, wenn man von Süden aus kommt. Die Öffnung verschmilzt mit dem Erdboden und das sichtbare Gestein, ist größtenteils von Moosen und Wurzeln überwuchert, sodass die Rückseite wie ein gewöhnlicher Hügel wirkt. Scheinbar hat sie für die Werwölfe irgendeine wichtige Bedeutung.Soweit ich mich erinnere, lungerten dort so zwischen 20 und 30 Gefolgsleute von diesem nichtsnutzigen Rudelanführer herum", erklärte ihm Onyx detailliert.
Nun dämmerte es Ardric. Er erinnerte sich daran, einmal eine Unterhaltung mehrerer Werwölfe belauscht zu haben, in der es um das Begräbnis eines verstorbenen Angehörigen gegangen war. Darin war davon die Rede gewesen, den Leichnam bei seinen Ahnen zu bestatten. Der Name der Höhle lautete Wolfs-Tomb. Es war der einzige Ort, bedeutend genug war, ein Massengrab zu beherbergen. Das machte ihn auch zum perfekten Schauplatz für das Ritual, das den Werwölfen zur alleinigen Herrschaft auf Erden verhelfen sollte.
"Ich habe von dieser Höhle schon einmal gehört. Sie wird von den Werwölfen "Wolfs-Tomb" genannt und dient als eine Art Grabstätte", erzählte Ardric. Nun erwachte wirklich wieder Hoffnung in Ardric, die ihn voller Tatendrang aufspringen und sein vorangegangenes Selbstmitleid vergessen ließ.
"Wir müssen dort sofort hin!" Gerade noch vor Selbstmitleid zergehend, war Ardric nun voller Tatendran. Ein Blick aus dem Fenster verriet ihm, dass nicht mehr viel Zeit übrig war, denn der Mond begann bereits, sich an einer Seite leicht rot zu färben. Es sah so aus, als ob Blut auf ein leuchtend weißes Seidentuch getropft wäre und sich darauf nun unaufhaltsam ausbreitete.
"Bin schon längst auf dem Weg", entgegnete ihm Onyx, beschrieb daraufhin Ardric die Lage der Höhle so gut wie möglich.
"Den Ältesten habe ich bereits Bescheid gegeben. Auch sie haben sich auf den Weg gemacht. Gemeinsam könnten wir es schaffen das Hundepack aufzuhalten", meinte der Schattenkrieger voller Zuversicht.
"Gut. Ich folge den GPS-Daten von Mimmas Auto und von dort ab finde ich den Weg. Da Luna genau weiß, wo sich die Höhle befindet, wird sie mit dem Auto so nah wie möglich herangefahren sein und die restliche Strecke zu Fuß zurückgelegt haben", schlussfolgerte Ardric.
"Wir treffen uns dort, mein Freund. Möge das Glück auf unserer Seite sein", sagte Ardric, um sich und seinem Mitstreiter Mut zuzusprechen.
"Dann lass uns dem Friedhof der Kuscheltiere unsere Ehrerbietung erweisen!", erwiderte Onyx kriegerisch. Scheinbar war er bei dem Gedanken, in eine Schlacht zu ziehen, die ungleicher nicht hätte sein können, in bester Laune.
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In der Höhle machte sich eine Gewisse Aufregung breit. Immer wieder liefen einige Männer mit dicken Holzscheiten an der Zelle von Raven vorbei und erweckten seine Neugierde.
"Hey, ihr da! Wofür braucht ihr das Holz?", rief er ihnen zu. Einer von ihnen fühlte sich tatsächlich angesprochen und kam zu dem Insassen herüber.
"Das ist geheiligtes Holz einer Esche. Unser Anführer sagt, dass alle Eschen vom Weltenbaum YGGDRASIL abstammen. Das geweihte Holz bindet die uralte Magie des Kosmos mit dem Ritual und ist die Garantie für unser Gelingen. Wir machen damit ein großes Feuer", erzählte er ihm im Plauderton.
"Soso. Das sagt Colin also", meinte Raven und zog seine Augenbrauen argwöhnisch hoch. Der getreue Mitläufer nickte eifrig und machte sich im Anschluss daran, seine aufgetragene Arbeit wieder aufzunehmen. Henry Black warf Raven einen vielsagenden Blick zu. Nachdem sich die Aufregung wieder gelegt hatte und der rege Verkehr vor ihrer Zelle eingestellt wurde, winkte er ihn zu sich heran.
"Junge, die Zeit, dein Versprechen einzulösen ist nun gekommen." Raven nickte und setzte sich zu dem alten Mann.
"Wenn Colin Recht behält und du wirklich eine Chimäre bist, entwickelst du erst dein volles Potenzial, wenn du das Blut beider Rassen in deinem Kreislauf vereinst. Das heißt, du musst dich an einem Werwolf nähren und an einem Vampir." Bis dahin hatte Raven alles soweit verstanden und nickte bekräftigend.
"Wir haben nur eine Chance, um diesem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Nämlich dann, wenn sie dich aus der Zelle holen, um dich zu schröpfen. Sobald du draußen bist, musst du einen unbedachten Moment abpassen, indem du die Möglichkeit hast, an einen der Vampire ran zu kommen, um dich an ihm festzubeißen, bis du ihn vollkommen ausgesaugt
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