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Der Blutmond

Der Blutmond

Titel: Der Blutmond
Autoren: T. J. Hudspeth
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Stein erneut drehte und sich die Geheimtür wieder schloss.

Mimma knipste die Taschenlampe an und rannte los. Der Tunnel wurde nur durch massive Holzbalken gestützt. Der Boden war matschig und von der Decke tropfte Wasser. Immer wieder wischte sich Mimma feuchte Spinnweben vom Gesicht, die überall hingen und teilweise von einer Seite des schmalen Tunnels bis zur anderen gespannt waren. Die feinen Fäden hafteten an ihr, als ob sie aus Kleber gewesen wären.

Der Geheimgang schlängelte sich unter der Oberfläche entlang wie ein riesiger, glitschiger Regenwurm, bei dem kein Ende in Sicht war.
Die Stunden vergingen und es kam ihr wie eine niemals endende Ewigkeit vor, als sie von ferne Motorgeräusche hörte. Mimma nahm all ihre Kräfte zusammen und erhöhte ihre Laufgeschwindigkeit. Und endlich kam das Ende des Tunnels in Sicht, denn er mündete in einen stillgelegten Kanal, dessen Öffnung dürftig mit einigen Sträuchern bedeckt war. Sie zwängte sich geschickt hindurch und stand unter dem Nachthimmel, der im Sekundentakt von einem satten Nachtblau zu einem stetig heller werdenden ultramarinen Farbton wechselte, um ins Azurblau überzugehen. Mimma hatte nicht lange Zeit, um sich zu orientieren, denn der Horizont nahm langsam eine gelbliche Färbung an. Ein Indiz dafür, dass der Sonnenaufgang kurz bevorstand.

Die Umgebung kam ihr bekannt vor, und nachdem sie sich kurz umgesehen hatte, erkannte sie die leer stehenden Lagerhäuser. Sie befand sich in einem Teil des Industriegebiets. Mimma beeilte sich und machte sich schnurstracks auf den Weg zu Raven, dessen Bar sich in unmittelbarer Nähe befand.

    *****

Ein Bild des Grauens bot sich Mimma dar, als sie Ravens Apartment erreicht hatte. Die Tür stand offen und einige der Möbel waren teilweise beschädigt oder lagen umgefallen auf dem Fußboden. Es sah so aus, als ob ein Kampf stattgefunden hatte. Panik ergriff sie, denn sie wusste nicht, was sie tun sollte. Selbst das Schlafzimmer war verwüstet worden. Mimma suchte nach irgendeinem Indiz, dass ihr vielleicht aufzeigen konnte, was hier passiert war.

Plötzlich entdeckte sie einen weißen Fetzen Papier, der unter der schief stehenden Couch hervor lugte. Auf allen Vieren kniend, fischte sie das Papier hervor. Was sie darauf las, erschütterte sie bis ins Mark. Elester und Jinx hatten ihren geliebten Raven entführt und sie hatte keine Ahnung, wo sich der besagte Treffpunkt befand. Ursprünglich war sie gekommen, um die womöglich letzten Tage ihres irdischen Daseins mit ihm zu verbringen, doch nun musste sie sich auf eine Befreiungsaktion begeben. Es war noch nicht einmal klar, ob es in ihrer Macht liegen würde, gegen zwei Vampire zu kämpfen, die zum einen in der Überzahl und zum anderen älter und somit stärker waren.

War es das alles wert?

Womöglich hatte Ardric recht gehabt mit dem, was er zu ihr gesagt hatte. Vielleicht sollten ein Vampir und ein Werwolf nicht einander lieben. Eine Liebe wider die Natur. Möglicherweise war die bevorstehende Vernichtung der Vampire die gerechte Strafe dafür, dass Raven und sie sich gegen die Gesetzmäßigkeiten erhoben und nach ihren eigenen Regeln hatten leben wollen.

Je länger Mimma darüber nachdachte, umso auswegloser empfand sie die Lage. So sehr sie auch versuchte, sich einzureden dass ihre Liebe falsch war, so kam sie nicht umhin, sich einzugestehen, dass sie ihre Gefühle nicht ändern konnte. Sie war es ihm schuldig, ihn zu retten. Und sei es als letzter selbstaufopfernder Akt, so wäre ihr Tod zumindest nicht sinnlos gewesen, wenn sie dadurch ein Leben bewahren konnte.

Doch wo sollte sie mit der Suche beginnen?

Als ob eine höhere Macht ihre stumme Zwiesprache mitgehört hätte, fiel die Haustür mit einem lauten Knall ins Schloss. Erschrocken fuhr sie herum und erblickte sogleich eine Karte, die an der Tür hing. Jemand hatte sie mit einem Jagdmesser befestigt, das in das Holz gerammt worden war. Sie sah sich die Karte näher an und erkannte, dass es sich um einen Wegweiser handelte, der den Ort der Höhle aufzeigte. Mimma nahm die Karte ab, faltete sie zusammen und schob sie in ihre hintere Hosentasche. Das Messer behielt sie vorerst, denn es beschlich sie das Gefühl, dass sie es zu einem späteren Zeitpunkt würde gebrauchen können.

Am liebsten wäre sie sofort zu der Höhle aufgebrochen, doch da die Sonne bald aufging, musste sie gezwungenermaßen einen Tag untätig verstreichen lassen, denn als Häufchen Asche würde sie niemandem dienlich sein.
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