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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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man nicht so ohne weiteres stürzen.
    »Was habt Ihr anzubieten?«, fragte Nikolaus Schocke. »Wir wissen, dass Ihr lange Zeit mit den Freibeutern gemeinsame Sache gemacht und dabei viel Geld verdient habt. Ihr seid Geschäftsmann. Wir sind am Wohlergehen der Stadt Hamburg interessiert. Deshalb lassen wir Euch die Wahl. Ihr könnt uns Euren Kopf anbieten oder ein gutes Geschäft.«
    »Die Hälfte der Beute!« Die Antwort kam schnell.
    »Siebzig Prozent!«
    »Dann bleibt mir kaum etwas. Ich hatte Kosten.«
    »Siebzig Prozent und Ihr könnt gehen. Ihr verschwindet binnen zweier Tage aus der Stadt und lasst Euch hier nie wieder blicken. Mit weniger sind wir nicht einverstanden. Nun? Kopf oder Geld?«
    »Also gut«, lenkte Wilham von Cronen ein. Er gab vor, so schwach zu sein, dass er sich setzen musste. »Siebzig Prozent.«
    »Wir begleiten Euch zu Eurem Haus. Wir bekommen unseren Anteil noch heute. Zum Wohle der Stadt Hamburg! Euer Sohn kann in dem Haus wohnen bleiben, wenn er will. Wenn er es vorzieht, der Stadt den Rücken zu kehren, wird es verkauft, und der Erlös geht an die Stadt Hamburg.« Nikolaus Schocke schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Damit war das Geschäft besiegelt und der Beschluss gefasst. Jetzt gab es kein Zurück mehr.
    Wilham von Cronen senkte den Kopf. In diesem Moment bot er das Bild eines geschlagenen Mannes. Er hoffte, dass er sich glaubhaft gewehrt hatte, nicht zu wenig, aber auch nicht zu viel, und bei den Ratsherren keinen Argwohn hervorgerufen hatte.
    |539| Nachdem sie den Grasbrook fluchtartig verlassen und Hamburg erreicht hatten, wurde ihnen bewusst, dass sie in den Kleidern, die sie trugen, nicht weit kommen würden. Lediglich Greetje sah vertrauenswürdig aus. Heiner Wolfen und Hinrik aber waren in ihren sackartigen Überwürfen nur zu leicht als Häftlinge zu erkennen.
    »Wir müssen uns etwas zum Anziehen besorgen«, sagte Hinrik, während sie durch die menschenleeren Gassen eilten.
    »Und wie?«, fragte der Steuermann in seiner wortkargen Art.
    »Mein Haus ist so gut wie leer«, bedauerte Greetje. »Darin ist nichts mehr heil. Und die Sachen meines Vaters passen euch beiden nicht. Er war kleiner als ihr.«
    »Wir dürfen uns nicht aufhalten«, drängte Hinrik. »Heiner hat recht. Die Hamburger könnten es sich anders überlegen.«
    Sie rannten quer durch die Stadt.
    Als die Stadtmauer vor ihnen auftauchte, blieb Hinrik stehen. Er deutete auf die Niedermühle mit ihren vier Flügeln.
    »Der Müller hat mich nach Strich und Faden betrogen«, berichtete er. »Damals war es mir egal, weil ich nur wenig Geld benötigte. Es wird ihn nicht ärmer machen, wenn Heiner und ich uns etwas zum Anziehen aus der Mühle holen. Sicherlich sind er und seine Tochter ebenso wie alle anderen auf dem Grasbrook.«
    Die Tür der Mühle war unverschlossen. Da Hinrik sich auskannte, fanden sie rasch Kleider und Stiefel, die ihnen passten. Greetje entdeckte ein paar Blafferte. Sie steckte die Münzen ein. Sie waren nicht viel wert. Immerhin reichten sie aus, den Fährmann zu bezahlen, der sie östlich von Hamburg über die Elbe brachte.
    Am jenseitigen Ufer des Stroms wandten sie sich nach |540| Westen und folgten dem Elbufer, soweit dies möglich war. Jetzt endlich fühlten sie sich sicher. Es störte sie nicht, dass es zu regnen begann und der Weg immer beschwerlicher wurde. Sie ließen sich nicht aufhalten. Sie kämpften sich die ganze Nacht hindurch voran, Schilf und schwieriges Sumpfgelände zwangen sie immer wieder zu weiten Umwegen, bis sie am Morgen deutlich ansteigendes Gelände erreichten. Unter den weit ausladenden Ästen einer Eiche setzten sie sich auf den Boden, um eine Pause einzulegen.
    Heiner Wolfen schlief fast augenblicklich ein. Hinrik und Greetje entfernten sich ein paar Schritte von ihm, um endlich allein zu sein und ungestört miteinander reden zu können. Sie waren beide müde und erschöpft, und es dauerte nicht lange, bis auch sie sich auf den Boden legten, um sich aneinanderzuschmiegen, sich gegenseitig zu wärmen und zu schlafen. Kaum aber war Hinrik eingeschlafen, schreckte er schon wieder auf. Im Traum hatten ihn Wilham von Cronen und der Henker Thore Hansen heimgesucht. Er sah sich auf dem Grasbrook von einem Schwert bedroht, aus dem die Augen der Gerichteten hervorquollen und ihn boshaft anstarrten. Greetje, die aufgewacht war, umarmte ihn, drückte ihn an sich und tröstete ihn. Und irgendwann öffnete sie ihr Kleid und schmiegte sich an ihn. »Liebe mich!«, hauchte

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