Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)
Der Sport war mir – auch zum Geldverdienen – wichtiger, schließlich habe ich auch als Trainer nebenbei nicht schlecht verdient. Ab 1993 arbeitete ich als Kickboxtrainer, nicht nur in Berlin, sondern auch in Potsdam. Da sprach mich eines Tages in einem Fitnessstudio, in dem ich arbeitete, der bekannteste Großgastronom Potsdams, Nico Gaehn, an. Er wollte einen Club aufmachen und fragte mich, ob ich nicht die Security übernehmen wolle. Es sollte ein Nobelclub werden und »Taro« heißen.
In Potsdam waren die Türen und Clubs beherrscht von Hooligans und Glatzen, also Skinheads oder Nazi-Schläger. Die hatten den ganzen Osten, weil sie dort die einzige Gruppe waren, die mit Gewalt Angst verbreiten konnte. Mit denen wollte Nico aber nichts zu tun haben. Also fragte er mich, ob ich mir das zutrauen würde.
Ich habe nicht gleich zugesagt, denn ich wollte mich erst mal schlau machen. Also erbat ich mir ein bisschen Bedenkzeit. In den nächsten Tagen fragte ich hier und da ein bisschen rum und stellte fest, dass ich schon ganz gute Connections hatte. Ich kannte einige Berliner Hooligans vom Training. Also fragte ich sie, ob es Probleme geben könnte, wenn ich in Potsdam einen Club betreue. Die Botschaft war klar: »Mach dir keine Sorgen, wir stehen hinter dir, und die Hools in Potsdam kriegen ’ne Meldung, dass wir hinter dir stehen.« Okay, das Thema war also erledigt.
Aber ich wollte noch die Meinung von Klaus Speer hören. Er war in den 60er und 70er Jahren als »Pate von Berlin« oder als »Kiezkönig« bekannt. Ich kannte ihn, weil ich früher oft in seinem Boxgym trainiert hatte. Er war jahrelang Boxpromotor. Heute ist er ein angesehener Kaufmann. Schon damals verband uns eine tiefe und respektvolle Freundschaft, also suchte ich Rat bei ihm. Mein Vorhaben, zu 100 Prozent mit der Polizei zusammenzuarbeiten, stand zwar ohnehin schon fest, aber seine Meinung war mir eben auch wichtig. Er sagte mir ganz deutlich: »Die Geschäfte im Nachtleben sind sehr brutal geworden. Zu meiner Anfangszeit galt noch das Faustrecht. Jetzt sind immer öfter Messer und Schusswaffen im Spiel. Mit den ausländischen Großfamilien und den Rockerbanden darfst du niemals Geschäfte machen. Dann hast du verloren. Arbeite am besten nur mit der Polizei zusammen. Dann bleibst du unabhängig, und das ist der Schlüssel zum Erfolg. Meine Erfahrung lehrte mich, dass die Männer in Grün die stärkste und einflussreichste ›Gang‹ in der Stadt sind.«
Ich konnte mich also in meinem Vorhaben durch Klaus’ Aussage bekräftigt fühlen und wusste, wenn ich seine Hilfe doch einmal brauchen sollte, wäre auch er Tag und Nacht für mich da. Mit Rückendeckung durch die »stärkste Gang« der Stadt meldete ich also 1994 ein Gewerbe für Security an und machte gleichzeitig einen Lehrgang. Das war damals noch einfach. Man musste fünf Tage die Schulbank drücken und ein bisschen Rechtskunde pauken. Genauso wie heute muss man als Sicherheitsmitarbeiter wissen, was man als privater Wachmann darf und was nicht. Also auf keinen Fall: sich als Polizist aufspielen und hoheitliche Aufgaben übernehmen, sondern nur gemäß den Jedermannsrechten handeln.
Und dann bekam ich meinen ersten Club, in Potsdam.
Ich stand da aber nicht als einer von der Berliner Hooligan-Szene, sondern als korrekter Sicherheitsmann und als Michael Kuhr. Die kannten mich ja, alle wussten: An der Tür steht der ehemalige Weltmeister. Und meine Mitarbeiter, so sechs, acht Leute, waren ebenfalls alle Sportler.
Grundsätzlich haben uns die Hools aus Potsdam in Ruhe gelassen. Aber eines Morgens nach »Feierabend«, ich war mit meinen Jungs schon auf dem Weg nach Hause, klingelte plötzlich mein Telefon. Es war eine der Tresenkräfte aus dem Club, völlig aufgelöst. Vor ihr standen zehn Hools im Club und wollten was trinken. Die Mädels hatten vergessen, die Tür hinter uns zuzuschließen, und nun standen die da. Ich musste also wieder zurück und auch noch ein paar meiner Leute informieren, so viel war klar. Leider erreichte ich nur einen Einzigen.
Ganz ehrlich: Wir hatten Schiss.
Zehn Glatzen in Springerstiefeln standen in dem Tanzclub. Ich bin zu einem von denen hin, der offensichtlich das Zepter in der Hand hatte, und sagte: »Können wir bitte mal unter vier Augen reden.«
Er folgte meiner Aufforderung.
»Unsere Mädels hier machen sich vor Angst fast in die Hosen, weil ihr hier so auffahrt. Müssen sie Angst haben?«
Der Hool war überraschend nett, sogar freundlich:
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