Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)
plötzlich an den Türen und hörte die Geschichten über alle meine früheren Partner. Womit die Geschäfte machen. Wer wann wie lang gesessen hat. Und wer ein Verbrecher ist. Ich konnte nur ahnen, was alles auf mich zukommen würde.
Die Türsteher-Szene
M it dem Job als Türsteher habe ich eigentlich schon während meiner Kickboxkarriere begonnen. Einer meiner Sportsfreunde arbeitete als Türsteher, und als eines Tages ein Kollege von ihm ausfiel, fragte er mich spontan, ob ich einspringen wolle. Das war 1982. Meine ersten Clubs, wo ich arbeitete, waren das »Sudhaus« in Moabit, das »Society« in der Budapester Straße, das »Twenty-Five« im Europa-Center und am Adenauer Platz und später das »Sektor« in der Hasenheide. Das waren harte Zeiten: sechs Tage die Woche morgens als Postzusteller arbeiten, sechsmal die Woche Training. Und Freitag und Samstag habe ich nachts an Türen gestanden.
Freitags ging ich nach dem Training kurz nach Hause, umziehen und ab in den Club zum Arbeiten. Dort war ich bis morgens um 4 Uhr. Anschließend wieder schnell nach Hause, ein Stündchen dösen und wieder los zur Arbeit. Nach der Arbeit legte ich mich für drei bis vier Stunden schlafen, bevor ich wieder zum Training fuhr und dann abends an der Clubtür stand. Zu dieser Zeit, also wenn ich freitags und samstags als Türsteher arbeitete, trainierte ich nur einmal am Tag. Mehr schaffte ich da nicht. Und am Sonntag ging gar nichts mehr. Da war ich fertig mit der Welt.
Überhaupt war der Türsteher-Job eine Katastrophe für meine körperliche Fitness. Zwei Jahre lang arbeitete ich so rund um die Uhr, aber dann ließ ich im Sport nach und begann, Kämpfe zu verlieren, so 1983. Das Programm, das ich da jede Woche abspulte, zehrte richtig an meinen Kräften, und so ließ die Kondition deutlich nach. Und natürlich macht es sich bemerkbar, wenn man nur noch einmal statt wie üblich zweimal am Tag trainiert. Das Nachtleben schlaucht selbstverständlich auch. Da kann man seinen sportlichen Ehrgeiz eigentlich an den Nagel hängen. Also habe ich dann erst mal aufgehört, alles gleichzeitig zu machen, und nur noch bei der Post gearbeitet und trainiert.
Den Türsteher-Job habe ich am Anfang eher aus Spaß gemacht, nicht nur wegen dem Geld. Ich stand da sieben Stunden, es kamen viele Kollegen, Leute, die ich sowieso kannte. Und früher war das ein ganz anderes Arbeiten. Man stand im Hintergrund und war einfach nur da. Der Chef wusste: Wenn es Stress gibt, ist der Türsteher da. Früher hatte das nichts mit Dienstleistung zu tun. Da wurden Gäste nicht von der Security begrüßt, das war nicht notwendig. Wir konnten an der Bar sitzen, wir sind Streife gelaufen und haben den Einlass kontrolliert. Es war einfach nicht so gefährlich wie heute, und es gab bei weitem nicht so viele Stressmacher.
Ich habe noch nie eine Anzeige wegen Körperverletzung oder so was bekommen. Nicht als Jugendlicher und auch nicht seitdem ich im Security-Business tätig bin. In der gesamten Zeit seit 1982 musste ich mich vielleicht ein Dutzend Mal prügeln. Das ist wirklich selten in der Branche, noch dazu, wenn man so an der Front arbeitet wie ich. Aber Gewalt ist meistens keine Hilfe. Meine »Waffe« war und ist Kommunikation. Ich quatsche die Leute einfach so lange zu, bis sie zur Ruhe kommen, und das, ganz wichtig, mit viel Respekt.
Am häufigsten wird man als Türsteher in Prügeleien verwickelt, wenn man Personen von der Tür abweisen muss oder wenn man im Club Gruppen hat, die miteinander nicht klarkommen. Wenn erst mehrere Leute aufeinander losgehen, sind die Herrschaften meist schon sehr aggressiv. Fast immer sind Alkohol oder Drogen daran schuld. Natürlich kommt man in dem Fall mit Rhetorik nicht weiter, dann muss man erst mal eine »Betäubungsspritze« ansetzen. Im Klartext: zuschlagen – logischerweise nur im Rahmen der Notwehr!
Ganz wichtig ist Menschenkenntnis. Ich habe einen guten Instinkt für Stresssituationen und weiß ganz genau, wann verbale Kommunikation nicht mehr möglich ist. Man sieht das, wenn so ein aggressiver Typ auf einen zukommt. Es gibt Situationen, wo Menschen so krass aggro drauf sind, dass sie nur noch prügeln wollen. Das spüre ich. Und dann muss man wirklich schnell sein. Gerade dann, wenn man so ein Leichtgewicht ist wie ich. Sobald ich erkenne, dass mich ein Typ schlagen will, versuche ich ihm zuvorzukommen. Damit ich nicht selbst Opfer werde.
Den Job als Türsteher habe ich Mitte der Achtziger erst mal aufgegeben.
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