Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)
sich der ehemalige Türsteher auch blicken. Er wurde erst mal von der Polizei an die Wand gedrückt und auf Waffen kontrolliert. Anschließend kam er auf mich zu und fragte: »Wieso ist denn hier so ein Riesenpolizeiaufgebot?«
Ich antwortete schlicht: »Wo Kuhr ist, ist auch die Polizei. Und das kannst du gern überall rumerzählen.«
Genau das muss er wohl getan haben, denn es sprach sich rum, sehr schnell sogar.
Als Türsteher wollte ich von Anfang an gute Beziehungen zur Polizei haben. Ich bin ja schon mit denen groß geworden. Viele Schüler von mir waren später zu Spezialeinheiten der Polizei gekommen. Die kannten mich also gut. Wenn die mit ihrer Truppe nachts unterwegs waren und wussten, an welcher Tür ich stehe, kamen sie eben öfter mal vorbeigefahren, um Präsenz zu zeigen. Die Zusammenarbeit mit der Polizei war für mich der einzige Weg zum Erfolg. Natürlich kann man »Erfolg« unterschiedlich definieren. Die Verbrecher halten sich vielleicht für erfolgreich, weil sie viele Drogen und Frauen haben und damit Geld verdienen. Das ist aber kein Erfolg für mich.
Es ist eine ganz einfache Entscheidung: mit oder gegen das Gesetz. Natürlich hätte ich auch einen anderen Weg gehen können, denn ich habe ja auch mit den anderen trainiert: die Hooligans, die Rocker, die Ausländer. Ich habe denen aber immer die Stirn geboten und mein Ding durchgezogen. Ich lasse mich nicht einschüchtern. Und wenn sich das herumspricht, dann haben die auch Respekt.
Wenn man sich einmal abhängig macht von Kriminellen, wird man sie nicht mehr los. Die hängen an einem wie Kletten. Es gibt viele Security-Firmen in Berlin, die sich in diese Abhängigkeit begeben haben, mehr als man vermuten würde. Ich bin nach wie vor froh darüber, dass ich die Weichen von Anfang an richtig gestellt habe. Es hätte ja wirklich auch anders laufen können.
Das »Palace« im Wedding habe ich insgesamt sechs, sieben Jahre lang betreut. Ich war der König der Club-Security und hatte viele Kunden. Bis heute sind es an die 30 Discotheken. Das Problem ist leider, dass so viele Clubs ständig auf- und wieder zumachen.
Die Organisation bei mehreren Discotheken war und ist für mich nicht einfach. Die ersten Jahre fuhr ich jede Nacht zwischen den Läden hin und her. Ich ging gewissermaßen auf Streife. Sobald es irgendwo Stress gab, bekam ich einen Anruf und düste sofort los, als Erste Hilfe. Ich hatte immer noch einen Mitarbeiter dabei. Auf der Fahrt zum Brennpunkt riefen wir dann oft schon die BAO-Türsteherstreife vom LKA Berlin zur Unterstützung an. Wir hatten enorm viele Schlägereien im Wedding, oft auch sehr blutige.
Da kam es auch mal zu einer der heftigsten Szenen, an die ich mich überhaupt erinnern kann. Eines Abends war ein Mitarbeiter von uns privat als Gast im Club. Er war eigentlich ein ganz lieber Kerl, aber an dem Tag muss er was genommen haben. Koks, Tilidin oder so was. Etwas, das aggressiv und schmerzunempfindlich macht. Er war ein bulgarischer Riese, gut zwei Zentner schwer, und an dem Abend war er mit seiner Freundin da. Die beiden müssen einen Streit gehabt haben, denn auf einmal boxte er sie mitten ins Gesicht. Ich stand hinter ihr, so dass sie mir direkt in die Arme flog. Kaum hatte ich sie aufgefangen, brüllte ich ihn an: »Was machst du denn? Hast du sie noch alle?«
Zum Glück waren noch mein Partner Peter und Paul und Alex, die zwei Russen in meinem Team, dabei. Denn als ich ihn so anschrie, ging er auf uns los. Drei meiner kräftigsten Jungs, auch alle jenseits der 100 kg, konnten ihn nicht stoppen. Es gab keine Chance ihn mit Armhebeln oder Haltegriffen unter Kontrolle zu bekommen.
Deswegen muss ich leider sagen: In solchen Momenten sind auch diese ganzen Selbstverteidigungstricks, die man so lernt, völlig für den Arsch. Auf der Straße herrschen andere Gesetze. Kurz gesagt: keine. Total brutal. Und wenn dann noch Drogen dazukommen und Alkohol, dann ist alles Erlernte nur noch Theorie.
Unser randalierender »Mitarbeiter« jedenfalls war nicht zu halten, wir mussten ihn bewusstlos schlagen. Als die Polizei kam, stand er aber wieder auf, nur, um jetzt auf die Polizisten loszugehen. Irgendwie konnten die ihn dann bändigen.
Ein paar Tage später haben wir uns wieder getroffen. Er sah schlimm aus, sehr schlimm. Und er konnte sich an nichts erinnern. Er hat sich nicht mal entschuldigt oder so – er war sogar sauer auf uns und sagte immer wieder: »Was habt ihr mit mir gemacht? Guck mal, wie ich
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