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Der böse Geist vom Waisenhaus

Der böse Geist vom Waisenhaus

Titel: Der böse Geist vom Waisenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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macht sie kaputt.“
    Die Uniformierten rannten
zurück, vergessen — für den Moment jedenfalls — war die Suche nach Vleske.
    Der kroch auf allen Vieren so
schnell er konnte heraus aus der tageshellen Grelligkeit des Scheinwerfers, der
— aufgestellt am Parkrand — immer noch leuchtete.
    Vleske erreichte die
Prislig-Straße, bevor Polizei auftauchte, und konnte entkommen.

17. Schlapplid mit Pistole
     
    Tim hatte Gaby nach Hause
gebracht, wie sich das gehört. Denn für Mädchen — zumal so hübsche wie seine
Freundin — ist es gefährlich im Dunkel der beginnenden Großstadt-Nacht, wo
nicht nur Handtaschendiebe auf schnellen Tretmühlen lauern, auch Gewalttäter
und Wüstlinge halten Ausschau nach Opfern.
    Jetzt fuhr er zurück.
    Die Zähne, dachte er, putze ich
mir natürlich. Aber Gesicht und den Mund vor allem wasche ich mir erst morgen.
Vielleicht bleibt so der Geschmack die ganze Nacht — der Geschmack von Gabys
Bussi.
    Tim hing auch anderen Gedanken
nach.
    Was träumte die kleine Anna
jetzt in ihrem Bettchen?
    Was träumte Christian?
    Sicherlich hielt die Narkose
noch an. Träumt man da auch? Sicherlich. Aber zum Glück ist jegliches
Schmerzempfinden ausgeschaltet. Daß die Ärzte Knochensplitter entfernt hatten
im Kiefer und das Ohr repariert — würde Christian erst später erfahren. Nicht
vor übermorgen.
    Alles Gute wünsche ich dir,
dachte Tim. Bist ‘ne arme Haut.
    Tim radelte durch erleuchtete
Straßen, hielt vor einem Sportgeschäft und sah sich die Auslagen an.
    Die neue Generation der Turn-
und Basketballschuhe interessierte ihn, die Trainingsanzüge für Eis und Matsch,
es gab auch weiterentwickelte Handschuhe für das Boxtraining am Sandsack. Aber
die waren für Anfänger des Kampfsports. Tims Hände besaßen bereits jenen Grad
der Abhärtung, die Bandagen und Handschuhe erübrigt.
    Er ließ sich Zeit.
    Karl und Klößchen hingen
sicherlich vor der Glotze und zogen sich einen Krimi rein oder eine
Kriegsreportage oder eine Bilanz über die Zerstörung der Welt.
    Da war es schon geistreicher,
durch den Regen zu fahren, erleuchtete Fenster zu betrachten und sich die
Menschen vorzustellen, die dahinter leben.
    Wahrscheinlich, dachte Tim,
hängen auch die alle vor der Glotze. Aber ein paar elitäre Vorbilder gibt’s
noch. Menschen, die Gespräche führen am Abend, ‘ne Party geben, lesen oder sich
bei einem interessanten Spiel gegenübersitzen. Schach, zum Beispiel, Romme oder
Mensch-ärgere-dich-nicht.
    Am Tauben-Landeplatz — die
amtliche Bezeichnung war: Professor Paulmann von Waslowringszessly-Platz — bog
er rechts ab in die Uver-Allee und folgte der langen, geraden und prachtvollen
Villen-Straße.
    Null people. Pappeln, fast
kahl, zu beiden Seiten. Lichtpeitschen, umflort vom dunstigen Regen. Hinter
Hecken eine Ahnung von Gärten, die man bald winterfest machen würde, und die
Dächer und Obergeschosse der Villen. Viele Fenster waren dunkel.
    Hin und wieder zweigten Wege
ab.
    Der graue Lieferwagen stand vor
einer solchen Einmündung.
    Es war das einzige, parkende
Fahrzeug entlang beider Straßenseiten. Und hatte sich die dunkelste Stelle
ausgesucht, also genau die Mitte der Entfernung zwischen zwei Lichtpeitschen.
Dennoch — auch hier hätte man großgedruckte Schrift lesen können.
    Trotz des Regens — ein Mann
lehnte an der Hecktür. Er las nicht. Er rauchte, was im Trocknen, nämlich im
Wagen, bequemer gewesen wäre.
    Der Regenmantel glänzte nicht
nur feucht, er war auch irgendwie glänzend beschichtet. Der Mann hatte keinen
Hut.
    Tim fuhr langsam und näherte
sich.
    Es war ein großer Kerl, dem man
auch im Mantel ansah, daß sein Outfit von Knochen gehalten wurde, ohne Fleisch-
oder Fettpolsterung. Halbglatze, auf die der Regen peitschte. Hinten standen
borstige Haare himmelwärts. Ein Pferdegesicht. Der Mann hielt die Augen
geschlossen.
    Tim stoppte.
    „Guten Abend!“
    Das Gesicht wandte sich ihm zu.
Die Augen blieben geschlossen. Aber der Mann zog an seiner Zigarette, die kurz
aufglühte und graue Haut beleuchtete.
    Tim registrierte schwere,
bläuliche Lider wie bei einer seltenen Froschart, die er mal gesehen hatte im
Aquarium des Zoos. Nein, der Mann schlief nicht. Der hatte einen Defekt am
Auge, wahrscheinlich eine Muskelschwäche der Lider.
    „Was ist?“
    „Bis jetzt habe ich nur Guten
Abend gesagt.“
    „’n Abend. Noch was?“
    „Es regnet. Sie werden ganz
naß.“
    „Ist doch schön. Noch was?“

    Mein Instinkt! dachte Tim. Auf
den kann ich mich verlassen.

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