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Der böse Geist vom Waisenhaus

Der böse Geist vom Waisenhaus

Titel: Der böse Geist vom Waisenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Oder ist irgendwas an der Haltung von diesem Typ?
Diese betonte Lässigkeit, als sonne er sich oder als warte er auf seine
Liebste. Und warum steht er bei der Heckklappe? Um sie schnell zu öffnen, damit
schnell was reinkann?
    Tim sah zu der Villa hinüber,
vor der sie standen.
    Nur dunkle Fenster.
    „Ich wollte fragen“, sagte Tim,
„ob Sie sich hier auskennen. Ich suche nämlich eine Adresse?“
    „Und welche?“
    Tim zog seine Lampe unter der
Jacke hervor.
    Der Strahl schoß zu dem
Steinpfeiler, der rechts ein geschlossenes Holztor begrenzte.
    Ein kunstvolles Metallschild
war dort angebracht: E. Trahnig von Knossleben — Auktionator
    Ehe Schlapplid den Kopf wenden
konnte, schaltete Tim seine Lampe aus.
    „Die Nummer weiß ich leider
nicht“, sagte Tim, „nur Straße und Namen. Das ist hier doch die Uver-Allee?“
    „Da bist du richtig.“
    „Ist ein Doppelname“, sagte Tim
und begann in den Taschen zu wühlen. „Sahnig von Kurzleben — oder so ähnlich.
Verdammt! Der Zettel ist weg.“
    „Dann fahr nach Hause und frag
noch mal.“
    „Ich glaube, Sie sind ein
Idiot“, sagte Tim.
    „Was?“
    „Das war doch nun wirklich
dicht dran: Sahnig und Kurzleben statt Trahnig von Knossleben. Aber Sie wollen
mich nach Hause schicken. Weshalb soll ich abhauen? Stehen Sie Schmiere?“
    Der Mann antwortete nicht. Aber
er ließ seine Zigarette fallen, die er bislang in der hohlen Hand abgeschirmt
hatte vor dem Regen.
    Die Glut verzischte in der
Nässe auf dem Asphalt.
    Schlapplid schob eine Hand in
die Manteltasche.
    „Hau ab, mein Junge. Es regnet
nämlich. Du wirst ganz naß.“
    Tim schob sein Rennrad zur
nächsten Pappel und lehnte es an den Stamm.
    Schlapplid hatte sich zur Seite
gedreht und sah zu.
    Tim trat zu der Pforte neben
der Einfahrt.
    Über dem Metallschild war die
Klingel angebracht.
    Er drückte auf den Messingknopf
und ließ den Daumen darauf.
    Gleichzeitig begann Schlapplid
zu pfeifen. Es klang wie ,Abendstille überall’.
    In der Villa — von der Tim
wegen blickdichter Hecken nicht viel sehen konnte — rührte sich nichts.
    „Offenbar niemand zu Hause.“
    Tim ging zu seinem Rad zurück.
    Schlapplids Pfeifen war zum
zweiten Mal angelangt bei ,...nur am Bach die Nachtigall’.
    Danach hielt er inne.
    „Pfeifen können Sie nicht“,
sagte Tim. „Versuchen Sie’s mal mit Mundharmonika. Warten Sie auf die
Trahnigs?“
    „Nein.“
    „Schade. Sonst hätte ich Ihnen
Gesellschaft geleistet.“
    „Ich warte auf meine Freunde,
die gleich vorbeikommen werden. Und ich warte lieber allein.“
    „Sie haben Freunde? Kaum zu
glauben — bei dem unfreundlichen Ton, den Sie an sich haben. Na, dann nichts
für ungut! Man kann sich ja die Menschen nicht aussuchen, die man nach einer
Adresse fragt, sondern muß nehmen, wer rumsteht. Tschüß!“
    Tim schwang sich aufs Rad und
fuhr weiter.
    Im Rücken spürte er Schlapplids
Blick.
    Ganz hatte der Mann die Augen
nicht geschlossen, wie Tim aufgefallen war. Ein schmaler Schlitz blieb zum
Hinausäugen, und der Mann legte den Kopf etwas in den Nacken, um sein Sehfeld
zu vergrößern.
    Tim fuhr bis zum übernächsten
Seitenweg, bog ein, ohne zurückzuschauen, folgte dem Weg und bolzte Tempo.
    Der Weg trennte vier
Grundstücke, von denen je zwei rückseitig aneinander grenzten. Er war nicht
länger als diese und mündete auf die Wallgraben-Straße.
    Sie war schmaler und nicht ganz
so vornehm wie die Uver-Allee, bestand nämlich auf gegenüberliegender Seite aus
ältlichen Reihenhäusern und zwei häßlichen Wohnblöcken.
    Tim spurtete rechts um die
Ecke, sauste zum nächsten Seitenweg, bog ein und preschte dorthin zurück, wo
Schlapplid und sein grauer Kastenwagen hoffentlich immer noch standen.
    Tim war jetzt in Höhe der
Trahnig-von-Knossleben-Villa, sah aber auch hier wenig von ihr, denn die Hecke
schirmte ab auf allen vier Seiten.
    Langsam! Leise!
    Er stieg ab vor der Ecke.
Dunkel wie im Kanalisationsrohr war es hier.
    Er lehnte sein Rad an den Zaun
und lief nach vorn.
    Schlapplid war noch da.
    Er stand jetzt auf dem
Gehsteig, zehn Schritt von Tim entfernt.
    Die Haltung drückte Spannung
aus. Der Mann spähte die Straße entlang in beide Richtungen.
    Kein Auto kam, kein
Spaziergänger, kein Jogger, kein zerrender Hund an der Leine mit dem Herrchen
hintendran.
    Schlapplid pfiff.
    Diesmal holte er ,Wer recht in
Freuden wandern will 1 aus seinem Repertoire (eingeübter Vorrat).
    Tim grinste.
    Volkslieder als Signale, dachte
er. ,Abendstille“ heißt: Ruhig

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