Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Hintergrund haben werde. Tatsächlich empfängt Wulff in seiner Amtszeit nicht nur zahlreiche Gäste aus dem
Ausland, sondern er unternimmt auch eine für die Kürze der Amtszeit
erstaunlich große Zahl von Auslandsreisen - mehr als irgendein Bundespräsident innerhalb derselben Zeit vor ihm. Das hat sicherlich auch
mit seinem vergleichsweise jungen Alter zu tun. Sein Nachfolger Joachim Gauck zum Beispiel ist kein Freund von langen Auslandsreisen,
die für den Bundespräsidenten immer wesentlich anstrengender sind,
als man vermuten würde. Staatsbesuche sind keine Spaziergänge, das
Programm ist dicht gedrängt, der immer sehr kurze Aufenthalt im
Gastland nicht selten mit Zeitverschiebungen und die Reisen oft genug
mit Flugzeiten von erheblicher Länge verbunden. Joachim Gauck
streicht deshalb als Bundespräsident die Reiseplanung erheblich zusammen, arbeitet ab, was von seinem Vorgänger noch unwiderruflich
übrig geblieben ist, und erteilt den Planungen in der Abteilung Außenpolitik des Bundespräsidialamtes für aufwendigere Fernreisen eine
Absage. Es ist der Gegenentwurf zu Christian Wulff, der die Außenpolitik und die Reiserei liebt, obwohl auch die Wulffs aufgrund der
Tatsache, dass zu Hause zwei kleine Kinder warten, nicht unbedingt
ideale Voraussetzungen dafür mitbringen.
Zwar wird Wulff im Laufe des Jahres 2011 vorgeworfen, außer Reisen sei ihm nicht mehr viel eingefallen, dafür gelten seine Auslands reisen ausnahmslos als erfolgreich. „Er hat alle Reisen hervorragend
gemacht", erinnert sich ein hoher Diplomat im Auswärtigen Amt.
Tatsächlich entsteht zwischenzeitlich der Eindruck, Wulff wolle dem
Außenminister Konkurrenz machen. Die Welt am Sonntag lobt Wulff
schon Ende 2010 für sein sicheres Agieren auf der internationalen
Bühne. Während Außenminister Westerwelle in seinem Ressort „partout nicht Fuß fasse", werde das Staatsoberhaupt schleichend „zum
heimlichen Außenminister". Wulff bewege sich „trittsicher" auf dem
diplomatischen Parkett, ob in Russland, der Türkei oder Israel. Neben
zahlreichen kurzen Besuchen im europäischen Ausland, darunter mehrere in Polen, die Wulff besonders wichtig sind, unternimmt das Präsidentenpaar im Laufe des Jahres 2011 mehrtägige Reisen durch Lateinamerika, nach Japan, nach Indonesien und Bangladesch und
schließlich durch mehrere arabische Staaten am Golf.
Dabei wirkt die Auswahl der Reiseziele auf Beobachter zum Teil
beliebig. Manches erschließt sich jedoch erst auf den zweiten Blick
oder im Nachhinein: So überbrückt Wulff mit seinem Besuch in Indonesien beispielsweise die lange Zeit, die man in Jakarta auf den
Besuch der Bundeskanzlerin warten muss. Erst im Juli 2012 schafft es
Angela Merkel, ans andere Ende der Welt zu fliegen und diesem aufstrebenden Schwellenland den seit Langem angekündigten Besuch
abzustatten. Während der Reise betont Merkel mehrfach, wie wichtig
der Besuch des Bundespräsidenten gewesen sei. Wulff selbst liegt Indonesien auch deshalb am Herzen, weil es das Land mit der größten
muslimischen Bevölkerung weltweit ist. Japan besucht der Bundespräsident vor allem auch deshalb, weil es im selben Jahr von einem schweren Erdbeben und der Nuklearkatastrophe von Fukushima heimgesucht worden war.
Besuche des Bundespräsidenten in anderen Ländern haben eine völlig andere Qualität als Visiten des Außenministers, sie sind vor allem
ein besonderer Ausdruck der Wertschätzung Deutschlands gegenüber
anderen Ländern, vor allem auch nicht so entwickelten Ländern. Die
Bundeskanzlerin ist aufgrund der großen Beanspruchung durch die
Tagespolitik, in Zeiten der Eurokrise sowieso, nur sehr begrenzt in der Lage, ausgiebige Auslandsreisen zu unternehmen. Im Zeitalter der internationalen Gipfeltreffen begegnen sich Regierungschefs ohnehin
ständig bei unterschiedlichen Gipfelformaten, die außerdem dafür sorgen, dass die Zeitfenster für bilaterale Besuche noch kleiner werden.
Vor allem in entlegene Regionen der Welt schafft es die Kanzlerin
deshalb nur selten, umso wichtiger sind komplementär dazu die Besuche des Bundespräsidenten.
Bei aller Kritik, die sich Horst Köhler für seinen Rücktritt gefallen
lassen musste, wird sein Engagement für Afrika bis heute in den
höchsten Tönen gelobt. „Es macht in vielen Ländern einen Riesenunterschied, wenn das deutsche Staatsoberhaupt kommt", sagt ein
ranghoher deutscher Diplomat, als Wulff Bangladesch besucht. Mit
Mexiko und Brasilien
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