Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
ihrer Amtszeit gestellt worden.
So musste Horst Köhler sich im Zuge der Eurokrise im März 2010 von
der Bild-Zeitung die Frage gefallen lassen: „Wo ist eigentlich SuperHorst?" Horst Köhler hat sich in diesem Spannungsfeld letztlich nicht
zurechtgefunden. Er fühlte sich ungerecht von den Medien behandelt
und hat sie am Ende verachtet und wenn möglich gemieden. Doch
das Problem ist durchaus grundsätzlicher Natur. Das Selbstverständnis des Amtes mit einem Präsidenten, der sich aus der Tagespolitik
heraushält, steht in einem wachsenden Spannungsverhältnis zu den
Erwartungen der modernen, sich immer schneller drehenden Medienwelt, die gleichzeitig über vieles rasch hinweggeht. Während die
meisten öffentlichen Auftritte des Bundespräsidenten auf dem Radar
der Medien gar nicht erst auftauchen, richtet sich der Fokus auf die
Kür, auf die große Rede. Diese ist aber meist am Tag darauf schon
wieder „Schnee von gestern" oder sie wird gleich als belanglos empfunden, da sie oft keinen Bezug zur tagespolitischen Agenda aufweist.
So hielt Johannes Rau im Mai 2000 eine herausragende Rede zum
Thema Integration, die seinerzeit jedoch so gut wie keine Beachtung
fand. Christian Wulffs Rede zur Eurokrise, die monatelang in den
Medien immer wieder angemahnt wurde, fällt kurz nachdem er sie
gehalten hat, dem kollektiven Vergessen zum Opfer. Als mit Ausbruch
der Krise im Dezember 2011 Bilanz gezogen wird, was Wulff im Amt
bisher geleistet habe, fällt sie bei vielen Rückblicken unter den Tisch
- nüchtern wird festgestellt, Wulff habe außer zum Thema Integration
nichts zu sagen gehabt. Dass er sich auch vor seiner Eurorede vereinzelt
zur Eurokrise äußerte, so in einem Interview mit einer niederländischen Zeitung, blieb fast völlig unbeachtet.
Bei keinem Präsidentenpaar zuvor spielten Bilder eine so große Rolle wie bei Christian und Bettina Wulff. Tatsächlich heißt es im Bundespresseamt im Laufe des Jahres 2011 scherzhaft, dass es vielleicht
praktischer wäre, die offiziellen Fotografen direkt im Bundespräsidialamt anzusiedeln, da sie ohnehin so viel Zeit dort verbringen. Richtig
ist, dass Bilder eine sehr große Rolle bei der Kommunikation und
Inszenierung dieser Präsidentschaft spielen. Das wirkt oberflächlich
auf jene, die sich vor allem Inhalte wünschen, es ist aber auch sehr
modern in einer Medienwelt, in der nichts wichtiger ist als Bilder. Das
Präsidentenpaar im Bellevue versteht sich seit Jahren auf diese Kommunikation, sie hat sich in Hannover bewährt. Mit ihren kleinen Kindern werden die Wulffs im Bellevue für viele zum jungen, modernen
Gesicht Deutschlands. Der Boulevard liebt sie, vor allem die First
Lady. Auch andere Bundespräsidenten hatten Bild und Bunte auf Reisen dabei, aber an keinem Präsidentenpaar hatten diese so viel Interesse wie an Christian und Bettina Wulff. In vielerlei Hinsicht bietet
das Präsidentenpaar vielen Menschen ein bisschen Glanz an der Spitze des Staates im sonst so mausgrauen politischen Geschäft. Die Wulffs
sind bereit, sich auf diese Rolle einzulassen.
Nach dem Abgang der Guttenbergs ist die Bühne frei, und die
Wulffs nehmen den Platz in vielerlei Hinsicht ein. Es gibt einen Bedarf
danach, den sie bedienen. Bunte, Gala und die Bild-Zeitung sind gierig nach Bildern und Geschichten des Präsidentenpaares. Die schönsten Bilder dieser kurzen Präsidentschaft entstehen auf den Auslandsreisen, die die Wulffs unternehmen. Die Attraktivität von Bettina
Wulff ist dabei zweifellos ein wesentlicher Faktor. Dabei geht es aber
durchaus nicht nur um Glamour: Zu den starken Bildern dieser Präsidentschaft gehört, wie Christian Wulff mit seiner Tochter Annalena
und dem israelischen Präsidenten Perez in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem steht. Das Bild transportiert die Botschaft,
das Kernanliegen der Reise: dass Wulff die Erinnerung an den Holocaust an die junge Generation weitergeben will. Zweifellos jedoch steht die Inszenierung des Präsidentenpaares für den Boulevard im Vordergrund. Die allerdings hat ihren Preis: Sie geht fast zwangsläufig Hand
in Hand mit einer Geringschätzung durch die Intellektuellen. Wulff
ist kein Präsident für die Feuilletons, das Stück, das er auf der präsidialen Bühne bietet, ist den Intellektuellen zu seicht.
Der Reisepräsident
ls Christian Wulff ins Amt kommt, geht er davon aus, dass
der überwiegende Teil der Arbeit, nämlich 60 Prozent, einen
außenpolitischen
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