Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
fliegt Wulff in der ersten Jahreshälfte 2011 in
zwei weitere aufstrebende Schwellenländer, die in der internationalen
Politik rapide an Bedeutung gewinnen. Dabei versteht Wulff sich
nicht zuletzt als Türöffner für die deutsche Wirtschaft. Auf seinen
großen Auslandsreisen wird er immer von einer Wirtschaftsdelegation begleitet.
Afghanistan und Bild
m Morgen des 16. Oktober 2011 melden die Nachrichtenagenturen, dass der Bundespräsident überraschend in Afghanistan eingetroffen ist. Reisen deutscher Regierungsmitglieder und des Bundespräsidenten nach Afghanistan werden aus Sicherheitsgründen bis zur Ankunft streng geheim gehalten, meist sind nur
diejenigen, die unmittelbar mit der Planung und Durchführung der
Reise zu tun haben, eingeweiht. So ist auch dieses Mal der Zeitpunkt
der Reise ein streng gehütetes Geheimnis, die Reise an sich überrascht
nicht. Denn es ist bereits der zweite Anlauf, den Wulff unternimmt:
Ursprünglich war der Besuch einen Monat vorher angesetzt, für den
14. September. Doch als am Tag davor ein Terrorkommando das Diplomatenviertel von Kabul heimsucht und die US-Botschaft sowie
das Hauptquartier der internationalen Truppen unter Beschuss
nimmt, wird die Reise im letzten Moment aus Sicherheitsgründen
abgeblasen. Am Abend des 15. Oktober startet die Regierungsmaschine mit dem Bundespräsidenten und einer vergleichsweise kleinen
Delegation von Berlin Richtung Usbekistan, wo die Bundeswehr in
Termez ein Logistikzentrum unterhält. Dort steigt die Präsidentendelegation in eine Transall-Maschine der Bundeswehr um, die nach
einer Stunde Flugzeit mit dem Bundespräsidenten in Kabul landet.
An Bord befindet sich ein kleines Kinderfahrrad. Es ist ein Geschenk,
das Wulff für den Sohn des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai
mitbringt.
Wulff kommt außerdem mit einer politischen Botschaft: Er will
den Afghanen versichern, dass Deutschland sich auch nach dem geplanten Abzug der internationalen Truppen bis 2014 weiter für die
Entwicklung Afghanistans engagieren werde. Wulff will außerdem
die Bundeswehr am Hindukusch besuchen, geplant sind eine Übernachtung im deutschen Hauptquartier in Mazar-i-Sharif und ein
kurzer Abstecher ins Feldlager Kunduz. Nur eine kleine, fünfköpfige
Journalistengruppe ist dabei, ein Reporter des ARD-Fernsehens, ein
ARD-Radioreporter sowie Korrespondenten von drei Nachrichtenagenturen und schließlich Fotografen. Politikerreisen nach Afghanistan sind sehr gefragt bei den Medien in der Bundeshauptstadt, da sie
selten sind und immer hohen Nachrichtenwert haben. Im Bundespräsidialamt hat man sich bewusst dagegen entschieden, eine Auswahl unter den Zeitungen zu treffen, um sich nicht den Unmut derer
zuzuziehen, die man nicht berücksichtigt hat - eine Entscheidung,
die sich als problematisch erweist.
Als der erste Termin für die Reise geplatzt war, setzte das Präsidialamt alles daran, die Reisepläne trotzdem weiter geheim zu halten. Das
gelingt zunächst auch, die Journalistengruppe, die mitreisen sollte, ließ sich darauf ein, damit die Reise bald nachgeholt werden konnte.
Die Suche nach einem neuen Termin dauerte jedoch länger als gedacht, sodass der Spiegel schließlich doch Wind von der Geschichte
bekam. Drei Wochen nach dem geplatzten Reisetermin berichtete der
Spiegel über die abgesagte Afghanistanreise. Noch vor dem Spiegel
hatte die Bild-Zeitung von der Geschichte erfahren und daraufhin
beim Bundespräsidialamt auf den Busch geklopft. Dort bat man Bild,
nicht über die geplante Reise zu berichten, und bot der Zeitung einen
Handel an: Als Gegenleistung für den Verzicht auf die Geschichte
stellte Präsidentensprecher Glaeseker Bild in Aussicht, dann mitreisen
zu können, wenn die Reise nachgeholt würde. Die Information wurde jedoch nicht im Präsidialamt „eingespeist". Als der neue Termin
für die Reise stand, war Glaeseker im Urlaub. Im Präsidialamt entschied man sich, bei der ursprünglichen Linie zu bleiben und keine
Zeitung mitzunehmen. Als die Präsidentenmaschine in Kabul ohne
einen Bild-Reporter landet, findet bei Bild gerade eine Redaktionskonferenz statt. Als Bild-Chef Kai Diekmann sich erkundigt, wer mit
in Afghanistan sei, bekommt er die Antwort: Von Bild niemand.
Diekmann, so berichtet ein Teilnehmer der Sitzung, habe daraufhin
nur geschwiegen: „Nichts sagt so viel, wie wenn Diekmann schweigt."
Diese Entscheidung, so sieht man es später im Bellevue, habe für
Bild das Fass zum
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