Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Deutschland, die geschäftliche Interessen in den Golfstaaten haben. Zwar sind neun Journalisten und
einige Fotografen dabei, aber das Interesse der Medien an der Reise ist
nicht groß: Keine einzige überregionale Zeitung hat sich angemeldet.
Der Präsident reist viel, zwei Wochen vorher ist er erst in Asien gewesen, und die Begleitung des Präsidenten in der Regierungsmaschine
ist teuer für die Medien, die die Übernachtungen, meist im selben
Hotel wie das Präsidentenpaar, und die Flüge bezahlen müssen. Hätte
man vorher gewusst, was hinter den Kulissen passiert und welchen
Ausgang diese Reise nehmen wird, hätten sich ganz andere angemeldet, allerdings nicht aus Interesse an den präsidialen Staatsbesuchen,
sondern wegen der Geschichte, die unbemerkt mitreist.
Die Vereinigten Arabischen Emirate sind die dritte Station der
Golfreise des Bundespräsidenten nach einem umfangreichen Besuchsprogramm in Oman und Katar. Auch in den Vereinigten Arabischen
Emiraten ist das Programm eng getaktet: Morgens um acht spricht der Bundespräsident mit seiner Wirtschaftsdelegation, danach Besuch bei
der Handelskammer in Abu Dhabi, wo er eine Wirtschaftskonferenz
eröffnet, anschließend fährt Wulff in die Zayed-Universität, um mit
Studentinnen und Studenten zu diskutieren. Mittags geht es zum Präsidentenpalast, wo er mit Scheich Khalifa bin Zayed Al Nahyan spricht
und zu Mittag isst. Am Nachmittag trifft Wulff den Kronprinzen,
besucht die Scheich-Zayed-Moschee und führt ein Gespräch mit einem Energie- und Klimaexperten der Regierung, bevor die Regierungsmaschine dann am späten Nachmittag Richtung Kuwait startet.
Der Flug dauert eine gute halbe Stunde. Zur Präsidentendelegation
gehört auch Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker, der aber andere Sorgen
hat als das enge Besuchsprogramm seines Chefs.
Glaeseker ist in ständigem Kontakt mit der Bild-Zeitung, die ihm
am Tag zuvor einen Fragenkatalog geschickt hat. Die Fragen lassen
keinen Zweifel offen, an welcher Geschichte die Bild-Zeitung gerade
strickt: Bild stellt die Frage, ob der Ministerpräsident Wulff im Februar 2010 den niedersächsischen Landtag „bewusst getäuscht" habe
mit seiner Antwort auf die Anfrage der Grünen, ob es zwischen ihm
und dem Unternehmer Egon Geerkens eine geschäftliche Beziehung
gebe. Glaeseker bittet zunächst um Aufschub: Er fragt die Bild-Zeitung per SMS, ob die Antwort auf die Fragen so lange warten könne,
bis Wulff von seiner Reise zurück ist. Die Bild-Zeitung gewährt einen Tag Aufschub, bis zum 12. Dezember, aber weitere zwei Tage,
bis nach der Rückkehr des Bundespräsidenten, will sie nicht warten.
Glaeseker beantwortet die Fragen daraufhin am Tag darauf, dem 12.
Dezember, nach „bestem Wissen und Gewissen" wie er betont, weist
aber darauf hin, dass es aufgrund des eng gestrickten Besuchsprogramms des Bundespräsidenten schwierig sei, Details mit Wulff zu
besprechen. Das Bundespräsidialamt gibt die Antworten, die Glaeseker Bild schickt, anschließend dennoch nicht zur Veröffentlichung
frei. Denn inzwischen hat sich der Bundespräsident persönlich eingeschaltet.
Der Präsident greift zum Telefon
m Abend des 12. Dezember 2011 landet die Regierungsmaschine am Flughafen von Kuwait. Der Bundespräsident wird
dort vom Emir begrüßt, der mit ihm anschließend zum BayanPalast fährt, wo das Präsidentenpaar übernachten soll. Nach einem
kurzen Aufenthalt im Palast macht sich der Bundespräsident erneut auf
den Weg und fährt zu einem Empfang in der Residenz des deutschen
Botschafters. Olaf Glaeseker hatte ihm vorher erklärt, dass er bei Bild
nicht weiterkomme - die Zeitung habe sich entschlossen, die Geschichte am folgenden Tag zu bringen. Wulff müsse nun selbst bei BildChefredakteur Kai Diekmann anrufen, wenn er die Veröffentlichung
noch stoppen wolle, macht Glaeseker seinem Chef klar. Wulff weist an,
den Fragenkatalog zurückzuziehen, den Glaeseker bereits an Bild geschickt hat, und nutzt die Autofahrt vom Bayan-Palast zur Residenz
des Botschafters, um Diekmann auf dem Handy anzurufen. Wulff ist
nicht alleine, zwei Araber und eine Dolmetscherin sitzen mit ihm in
der gepanzerten Limousine. Diekmann geht nicht ans Telefon, darum
spricht Wulff ihm kurz entschlossen eine Nachricht auf seine Mailbox.
In der Botschafter-Residenz hält Wulff eine kurze Ansprache, dann
bittet er darum, sich in einen Raum zurückziehen zu dürfen. „Mit einem
Mal wurde es hektisch", erinnert sich ein ehemaliger
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