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Der Boss

Der Boss

Titel: Der Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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eigentlich …«
    Herr Denizo ğ lu unterbricht mich:
    »Weißt du, meine Sohn, Militär ist für mich sehr wichtig. Istsehr wichtig für Menschheit. Und deshalb, ich bin unheimlich stolz, dass ich habe so eine tapfere Schwiegersohn.«
    »Tja, das ist sehr schmeichelhaft, aber …«
    Schon ist Onkel Abdullah aufgestanden, hat das Bild aus dem Flur mitgebracht und Herrn Denizo ğ lu in die Hand gedrückt. Der ist begeistert:
    »Vallaha, sehr beeindruckend. Uniform steht dir gut, Daniel.«
    Er glaubt es wirklich. Das kann doch einfach nicht wahr sein! Gut, Ulli ist ein ausgezeichneter Grafiker – die Urkunde sieht tatsächlich authentisch aus. Aber erstens sind auf normalen Urkunden keine Fotos, und zweitens prangen auf dem Held-der-Arbeit-Orden Hammer und Zirkel – ein eindeutiger Hinweis auf die DDR . Doch im Ignorieren von Hinweisen auf die Wahrheit ist Herr Denizo ğ lu ja bestens geschult. Cem muss grinsen – er weiß, was los ist. Und gibt mir mimisch zu verstehen, dass ich das Missverständnis nicht aufklären muss. Herr Denizo ğ lu klopft mir auf die Schulter:
    »Habe ich nicht gewusst, Daniel. Aber vallaha, meine Respekt für dich ist jetzt noch größer.«
    Damit reicht er die Urkunde weiter an Onkel Mustafa, der ebenso beeindruckt nickt und mir den gestreckten Daumen zeigt. Ob es daran liegt, dass ich durch den dauernden Schlafmangel matschig in der Birne bin – plötzlich finde ich es großartig, als Kriegsheld gesehen zu werden. Diese bewundernden Blicke, dieser Respekt – so etwas habe ich noch nie erlebt. Und wenn sie Chrístos abkaufen, dass er ein heterosexueller, fleischfressender, nichtgriechischer Moslem ist, dann ist alles möglich. Dann kann ich auch ein Kriegsheld sein.
    »Wo hast du denn gekämpft?«
    Herr Denizo ğ lu reißt mich aus meinen Gedanken. Ich höre mich sagen:
    »In Afghanistan.«
    Spinnst du, Daniel? Du hast keine Ahnung von Afghanistan. Spätestens jetzt musst du alles aufklären! Du könntest nicht eine einzige Nachfrage glaubwürdig beantworten … Zu spät. Onkel Abdullah ist neugierig geworden:
    »Und wofür hast du bekommen Medaille?«
    »Ach so, das war so, also äh, meine Einheit lag kurz vor äh …«
    Toll, jetzt fällt mir keine einzige Stadt in Afghanistan ein.
    »… äh … also, da waren viele Häuser, aber das Ortseingangsschild war beschädigt, deshalb kann ich mich jetzt nicht mehr an den Namen …«
    Hör auf, Daniel. Lügen ist was für Profis. Du bist ein Amateur. Sag endlich die verdammte Wahrheit! Andererseits … ist Herr Denizo ğ lu immer noch stolz auf mich, wenn ich ihm erzähle, dass ich in Wirklichkeit wegen multipler Kreuzallergien ausgemustert wurde?! Nein, ich ziehe das jetzt durch.
    »… und dann, also, ja, es war so: Wir wurden angegriffen, von äh Heckenschützen. Also, da war eine Hecke. Mit Schützen drin. Ich weiß jetzt nicht mehr genau, ob es Kirschlorbeer war oder Buchsbaum, aber egal …«
    Was redest du für einen Schwachsinn, Daniel? Ich fühle mich, als wäre ich in einer albernen Tür-auf-Tür-zu-Boulevard-Komödie gefangen – der deutsch-türkischen Variante von Tante Trude aus Buxtehude .
    »Jedenfalls, die Heckenschützen habe ich erledigt. Mit meiner … äh … ja, Waffe.«
    Herr Denizo ğ lu nickt beeindruckt:
    »Was für eine Waffe hattest du?«
    Na toll. Ich kenne keine einzige Waffe beim Namen.
    »Tja, das war so eine … Schusswaffe. Also, äh … so ähnlich wie eine Pistole. Im Prinzip war es auch eine Pistole. Nur ein bisschen größer. Also … es war eine … M7 von Ektorp.«
    Bist du jetzt von allen guten Geistern verlassen, Daniel? Ektorp ist der Name deines IKEA – Sofas! Was soll das denn für eine Waffe sein? Egal, die Antwort scheint Herrn Denizo ğ lu zufriedenzustellen:
    »Bravo, mein Sohn … Was für ein Mann … Ich bin vallaha sehr stolz. Sehr stolz.«
    Chrístos fächelt sich selbst Luft zu:
    »O mein Gott, was für eine schreckliche Geschichte. Mir ist schon beim Zuhören der Schweiß ausgebrochen …«
    Jetzt bringt Onkel Mustafa zu meinem Glück eine überraschende Wendung ins Gespräch:
    »Wie geht es eigentlich deiner Frau, Chrístos?«
    »O gut. Beziehungsweise zu gut. Gestern hat sie sich schon wieder vier Paar Stiefel gekauft … Weiber!«
    Das Wort »Weiber« hätte selbst Wolfgang Joop nicht tuntiger aussprechen können. Niemand stört sich daran.
    Zwei Stunden und gefühlte 3000 Lügen später brummt mir der Schädel, weil ich mir langsam aufschreiben muss, wem ich

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