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Der Boss

Der Boss

Titel: Der Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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Mittag hat sie anhand der Farmville- Soundeffekte den Schluss gezogen, dass ich einen Ausflug aufs Land gemacht habe.
    »Erika, ich …«
    »Hast du schon was gegessen? Sonst wird es nämlich langsam knapp. Oder arbeitest du etwa noch? Du weißt, du sollst es nicht übertreiben. Du heiratest schließlich morgen, da muss dein Chef doch Verständnis haben, auch wenn er ein skrupelloses Kapitalisten-Arschloch ist … O Gott, du hast doch nicht etwa auf Lautsprecher gestellt und er hört mit?!«
    »Nein, Erika …«
    »Herr Kleinmüller, das hab ich nicht ernst gemeint gerade! Herr Kleinmüller? Hallo? Das war ein Spaß, hahahaha …«
    »Erika, ich bin im Kino!«
    »Wieso, was willst du denn im Kino?«
    »Einen Film gucken.«
    »Aber gleich ist Dimiters Premiere mit Romeo und Julia im Schauspielhaus. Da musst du kommen.«
    Mist! Die Premiere – die habe ich in der Aufregung vergessen. Aber nein, ich werde meinen Junggesellenabschied nicht in einer Dimiter-Zilnik-Inszenierung verbringen.
    »Ich muss überhaupt nichts. Ich kann machen, was ich will. Und ich will lieber ins Kino.«
    »Na gut. Wie du meinst.«
    Ich bin überrascht. So schnell gibt sie normalerweise nicht auf.
    »Okay, Erika – wir sehen uns dann morgen.«
    »Moment. Ich gebe dir kurz Frau Denizo ğ lu.«
    Ich höre, wie meine Mutter Frau Denizo ğ lu erzählt, dass ich nicht komme, und wie Aylins Mutter daraufhin mehrere Allah, Allahs sowie ein lang gezogenes »ooooooooooooh« hören lässt. Ich ahne, dass mir eine harte Prüfung bevorsteht.
    »Daniel?«
    »Hallo!«
    »Daniel, du musst vallaha kommen! Ich kann sehen: Deine Mutter ist unheimlich traurig, vallaha ich sehe Träne in ihre Auge. Ich weiß, sie ist sehr nette Frau, sie will dir nicht sagen – aber ich schwöre dir, wenn du nicht kommst, ist sehr, sehr schlimm für deine Mutter, wird sicher weinen die ganze Nacht.«
    Das darf doch einfach nicht wahr sein. Meine Mutter wusste genau, was passieren wird, wenn sie Frau Denizo ğ lu einspannt. Verdammt, das ist raffiniert – sie lässt Aylins Mutter die Drecksarbeit machen. Sieht so meine Zukunft aus – zwei Mütter, die mich im Duett kontrollieren und den freien Willen aus mir heraussaugen? Wenn ich jetzt nicht hart bleibe, habe ich für die nächsten Jahre verloren.
    »Frau Denizo ğ lu, ich möchte aber …«
    Aber Frau Denizo ğ lu ist verschwunden. Stattdessen höre ich die Stimme meiner Verlobten.
    »Hallo, Daniel!«
    »Aylin? Ich wollte deiner Mutter gerade sagen …«
    »Daniel, ich hab die Premiere auch vergessen. Und ich weiß, du willst in Ice Age 3 . Aber … meine Eltern sind da, deine Eltern sind da, ich bin da – du fehlst einfach.«
    »Aber …«
    »Bitte, Daniel … Bittebittebitte …«
    In diesem Moment sehe ich ihren Schmollmund vor meinem geistigen Auge. Aber ich muss jetzt stark bleiben.
    »Tut mir leid, Aylin. Das ist mein Junggesellenabschied, und da darf ich machen, was ich will. Und ich will mit Mark ins Kino.«
    »Na gut. Aber bleibt brav hinterher. Strip-Lokale – okay. Aber ohne anfassen.«
    »Du wirst es nicht glauben, aber wir machen’s sogar ohne Reingehen .«
    »Du lügst.«
    »Ich wünschte, es wäre so.«
    »Na gut … Wir sehen uns dann vorm Standesamt. Ich liebe dich.«
    »Ich liebe dich auch.«
    Ich lege auf. Und bin unglaublich stolz auf mich. Ich strahle Mark im Gefühl des Triumphs an:
    »Hast du das gehört? Ich habe mich gegen extremen emotionalen Druck meiner Mutter, meiner Schwiegermutter und meiner Verlobten behauptet – das war meine Meisterprüfung. Ich kann meine Therapie beenden. Du darfst mir gratulieren: Gerade eben bin ich endgültig erwachsen geworden.«
    Mark schüttelt mir die Hand und klopft mir auf die Schulter. Inzwischen sind wir an der Kasse angelangt, wo eine bleiche Schwarzhaarige mit blauen Strähnen, Nightwish -T-Shirt und einer auf den Hals tätowierten schwarzen Rose uns gelangweilt anguckt. Ich setze gerade an zu sprechen, als Mark mir zuvorkommt:
    »Äh, Daniel – ich will ja deine Euphorie nicht bremsen, aber hattest du nicht gesagt: Wenn ich bei der Romeo-und-Julia -Premiere nicht eine diplomatische Meisterleistung hinlege, kommt es zur Katastrophe?«
    »Das stimmt, das habe ich gesagt. Aber … äh …«
    Ich komme ins Grübeln. Die Gothic-Lady an der Kasse schiebt sich mit der Zunge ihr Oberlippenpiercing zurecht, als handle es sich um den Einschalt-Knopf für ihr Sprachzentrum:
    »Also, in welchen Film wollt ihr?«
    »Tut mir leid. Ich muss zu

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