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Der Boss

Der Boss

Titel: Der Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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Hochzeit in diesem Halbjahr. So, ich muss jetzt noch den Online-Werbedeal mit dieser Kondom-Firma eintüten. Die Arschlöcher wollen mich im Preis drücken – dann sollen die ihre Scheiße doch woanders machen.«
    Ich mag Männer, die zu kernigen Aussagen fähig sind – vor allem, wenn hinter ihnen ein Rahmen mit dem Spruch hängt: ›Öffne dein Herz und sende jedem Lebewesen deine Liebe‹.
    Als ich zurück ins Kreativbüro komme, sitzen Karl, Ulli und Lysa gemeinsam mit Emine an Karls Computer und spielen Farmville . Na bravo. Jetzt hält meine Praktikantin auch noch meine Mitarbeiter von der Arbeit ab. Karl nebelt zwar den Bildschirm ein, aber ich kann trotzdem einen Elefanten erkennen. Lysa redet mit Emine:
    »Natürlich lohnt sich die Anschaffung eines Elefanten, der bringt Erdnüsse ein.«
    Ulli stutzt:
    »Seit wann produzieren Elefanten Erdnüsse? Das ist völlig unlogisch.«
    »Das sagt jemand, der sich zur Hautkrebs-Vorsorge mit Edding ein Melanom unter die Achselhöhlen gemalt hat.«
    »Natürlich war das logisch. Ich wollte testen, ob die Ärztin gründlich vorgeht.«
    Jetzt sieht mich Emine:
    »Hallo, Schwager. Hast du gerade was für mich zu tun …?«
    Na immerhin. Emine will sich endlich ihrem Job als Praktikantin widmen.
    »… Ich muss nämlich mal für ’ne Stunde weg, okay?!«
    »Okay … Nein, Moment, das ist nicht okay. Wieso musst du weg?!«
    »Tante Emine fühlt sich noch wackelig auf den Beinen, jetzt soll ich Stützstrümpfe besorgen.«
    Meine Praktikantin stört nicht nur das Team und lenkt mich von meinen Aufgaben ab, sie überrascht auch mit einer sehr interessanten Interpretation des Wortes »Arbeitszeit«. Das darf ich nicht durchgehen lassen. Ich atme tief durch und spiele eine Autoritätsperson:
    »Emine, du hast hier einen Job! Und in der Arbeitszeit besorgst du nur Dinge für Creative Brains .«
    Ha! Das war überzeugend. Ich hab es mir selbst abgenommen. Ich bin der Boss. Emine rollt mit den Augen:
    »Okay, und was soll ich besorgen?«
    »Äh … Heftzwecken.«
    Heftzwecken? Warum habe ich Heftzwecken gesagt? Wir brauchen keine verdammten Heftzwecken. Alle schauen mich irritiert an. Ich muss noch was nachschieben.
    »Aber äh … Hauptsächlich auch … Druckerpatronen.«
    »Bitte. Wie du willst, Schwager.«
    Emine zieht genervt ab. Ich habe gewonnen. Druckerpatronen brauchen wir zwar auch nicht, aber meine Autorität bleibt gewahrt. Das ist die Hauptsache. Ich muss auch vor Lysa, Karl und Ulli zeigen, dass ich den Laden im Griff habe. Ich lächele selbstzufrieden und werde von Lysas Stimme in die Realität zurückgeholt:
    »Da, eine hässliche Ente! Wenn wir die adoptieren, wird sie in ein paar Tagen zum Schwan.«
    »Das ist auch total unlogisch.«
    »Ulli, du nervst.«
    Als meine Mitarbeiter zwanzig Minuten später immer noch Farmville spielen, überlege ich, mit welchen Worten ich sie wieder zur Arbeit motivieren kann. Inhaltlich zu argumentieren wird schwierig, denn das Betreiben eines virtuellen Bauernhofs und die Karriereplanung für Bernd Banane teilen sich in der Liste der sinnlosesten Tätigkeiten aller Zeiten den Spitzenplatz noch weit vor Felsblock-einen-steilen-Hang-Hinaufrollen und Nordic Walking.
    Als ich gerade in Erwägung ziehe, erst mal eine halbe Stunde mitzuspielen und danach Disziplin einzufordern, steht plötzlich Reisebüro-Kenan im Büro. Ich bin wie vom Blitz getroffen, als er mich mit Wangenküsschen begrüßt:
    »Hallo Schwager! Emine hat gesagt, du brauchst Druckerpatronen. Kein Problem. Ich mache dir einen Superpreis.«
    »Kenan, das ist nett, aber ich möchte Arbeit und Familie gerne trennen.«
    Kenan lacht und klopft mir auf die Schulter.
    »Du hast echt einen guten Humor, Daniel. Das mag ich … Du, ich habe gerade gesehen, eure Bildschirme sind der totale Schrott. Da ist bei mir gerade 1-A-Ware eingetroffen, können wir sogar mit Rechnung machen, wenn es unbedingt sein muss.«

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36
    1 Tag, 15 Stunden, 27 Minuten vor der Hochzeit.
    Ich gehe neben Aylin den Ubierring entlang in Richtung meiner Wohnung. Seit über zwanzig Minuten reden wir kein Wort miteinander. Was nicht etwa daran liegt, dass wir uns gestritten haben. Aber seitdem Aylin mich in der Firma abgeholt hat, ist sie am Handy pausenlos damit beschäftigt, besorgte Familienmitglieder über die Sitzplatzverteilung aufzuklären. Als wir in die Alteburger Straße einbiegen, glaube ich für fünf Sekunden, Onkel Abdullahs Schnarchen in meinem Kopf zu hören. Auch wenn es diesmal

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