Der Bourne Befehl
– nur Mittel zum Zweck. Was sie wirklich wollte, war, die Wahrheit über ihren Vater herauszufinden. Dafür brauchte sie einen Mann, und zwar jeweils den, mit dem sie glaubte, ihr Ziel erreichen zu können.
»Don Fernando denkt allen Ernstes, du wärst in mich verliebt.«
Sie runzelte die Stirn. »Ist das so abwegig?«
Sie beugte sich vor und küsste ihn fest auf die Lippen. Bourne spürte ihre weiblichen Rundungen, als sie sich an ihn schmiegte.
»Nicht«, sagte er und schob sie weg.
Sie schüttelte den Kopf, die Lippen leicht geöffnet. »Ich verstehe nicht.«
Er fragte sich, ob sie sich vielleicht selbst eingeredet hatte, ihn zu lieben. Hatte sie Vegas deshalb so erfolgreich täuschen können – weil sie sich selbst getäuscht hatte?
»Du verstehst mich sehr gut«, sagte Bourne.
»Du irrst dich«, erwiderte sie kopfschüttelnd. »Du irrst dich total.«
»Amun!«, rief Soraya, als sie zu sich kam.
»Er ist weg, Soraya.«
Aaron beugte sich über sie, sein Gesicht war voller Sorge.
»Erinnerst du dich nicht?«
Und dann fiel ihr alles wieder ein: der dunkle Keller, wie Donatien Marchand sie fast erdrosselt hätte, wie Amun die Treppe heraufgestürmt kam, dann die Schüsse, das Blut und der Sturz in die Tiefe. Ihre Augen brannten, als die Tränen kamen und über ihre Wangen liefen.
»Wo …?«
»Du bist im Krankenhaus.«
Sie drehte den Kopf zur Seite und sah die Schläuche an ihrem Arm.
»Ich muss ihn sehen«, sagte sie.
Doch als sie aufzustehen versuchte, drückte Aaron sie sanft wieder auf das Kissen zurück.
»Das wirst du, Soraya, ich verspreche es dir. Aber nicht jetzt, nicht heute.«
»Ich muss aber.« Ihr wurde klar, dass sie sich vergeblich bemühte; sie hatte einfach keine Kraft mehr. Sie konnte nicht mehr aufhören zu weinen. Amun tot. Sie blickte zu Aarons Gesicht auf.
»Bitte, Aaron, weck mich auf.«
»Du bist wach, Soraya. Gott sei Dank.«
»Das kann doch alles nicht wahr sein.« Es war, als hätte ihr Herz einen tiefen Riss bekommen. Die Frage, ob ihre Liebe zu Amun echt war oder nicht, war nun irrelevant. Sie waren Kollegen, Freunde und ein Liebespaar gewesen – und jetzt war er weg. Sie hatte schon öfter schwere Verluste hinnehmen müssen, aber das war etwas anderes. Während sie schluchzte, spürte sie, dass Aaron sie im Arm hielt, sein Geruch vermischte sich mit den abstoßend süßlichen Krankenhausgerüchen. Sie klammerte sich an ihn. Es war seltsam, dass sie sich allein fühlte, obwohl Aaron hier bei ihr war – und doch war es so, ja, sie konnte sich nicht erinnern, sich je so allein gefühlt zu haben. Ihre Arbeit war alles für sie. So wie Jason ließ auch sie kaum einmal einen anderen Menschen in ihr Leben. Amun war die Ausnahme gewesen. Und jetzt …
Sie musste an Jason denken. An die Verluste, die er erlitten hatte, im Beruflichen wie im Privaten. Da war zum Beispiel Martin Lindros, der Architekt von Typhon, ihr ehemaliger Chef und Jasons engster Freund in der alten CI. Lindros’ Tod hatte sie erschüttert, doch für Jason musste es viel schlimmer gewesen sein. Er hatte Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um seinen Freund zu retten, und war am Ende doch gescheitert. Und plötzlich fühlte sie sich nicht mehr ganz so allein, dafür spürte sie, wie eingeengt sie hier in diesem Zimmer war. Sie musste weg, um in Ruhe nachdenken zu können.
»Aaron, du musst mich hier rausbringen«, sagte sie mit einer Verzweiflung, die sie selbst erschreckte.
»Du hast dir nichts gebrochen, ein paar Rippen sind geprellt. Aber deine Gehirnerschütterung macht den Ärzten Sorgen.«
»Das ist mir egal!«, rief sie. »Ich halte es hier nicht mehr aus, keine Minute!«
»Soraya, bitte beruhige dich. Ich verstehe ja, dass das alles nicht leicht für dich ist …«
Sie schob ihn weg, so grob sie konnte. »Hör auf, mich wie ein Kind zu behandeln, und hör, was ich dir sage, Aaron. Bring mich hier verdammt noch mal raus. Sofort!«
Er musterte sie einen Moment lang, dann nickte er. »Gut. Ich geh nur schnell zur Aufnahme und kläre das.«
Kaum war er draußen, versuchte Soraya sich aufzusetzen. Ihr Kopf tat weh, doch sie ignorierte die Schmerzen. Sie riss das Klebeband weg und zog die Nadel aus ihrem Arm. Vorsichtig schwang sie die Beine über die Bettkante. Der Boden fühlte sich kalt an. Ihre Fußknöchel kribbelten, als sie die Beine belastete. Sie wartete einen Augenblick und atmete ein paarmal tief durch, um genug Sauerstoff in den Körper zu bekommen. Schließlich hielt sie
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