Der Bourne Befehl
getreten. Und sie hat neue Details rund um den Tod ihrer Mutter erfahren. Auf das alles war sie wahrscheinlich nicht vorbereitet.«
Don Fernando zog an seiner Zigarre. »Betrachten Sie die Sache einmal aus ihrer Sicht. Sie tauchen auf und retten sie und Estevan nicht ein Mal, nicht zwei Mal, sondern drei Mal vor der Domna und vor den Leuten, für die ihr Vater gearbeitet hat. Sie haben einen starken Eindruck bei ihr hinterlassen – und jetzt sind da zwei Seelen in ihrer Brust, die gegeneinander kämpfen.«
»Das ist aber doch nicht mein Problem«, erwiderte Bourne.
Don Fernando zog an seiner Zigarre und hüllte sie beide in eine Rauchwolke. »Ich glaube Ihnen nicht, dass Sie das wirklich so sehen.«
»Liebt sie Vegas?«
»Das müssen Sie sie fragen.«
»Das werde ich auch«, sagte Bourne. »Die Dinge sind auch so schon kompliziert genug – da muss Vegas nicht auch noch einen Eifersuchtsanfall bekommen.«
»Sie ist draußen auf der Loggia.«
»Sie können die Loggia von hier aus gar nicht sehen«, wandte Bourne ein.
»Ich weiß von meinen Gästen immer, wo sie sind.«
Bourne überlegte, wie er das meinte; er hatte jedenfalls keine Überwachungskameras bemerkt.
Don Fernando lächelte. »Gehen Sie zu ihr, Jason. Klären Sie die Sache, bevor es zu einer Todfeindschaft kommt.«
»Wir machen es so«, erklärte Zatschek. »Der Kontaktmann wartet beim Seiteneingang der Moschee. Sie sagen zu ihm: ›Es gibt keinen Gott außer dem einen‹, und er wird antworten: ›Gott ist gut. Gott ist groß‹.«
Boris und Zatschek standen in einem düsteren Winkel, einen Block von der Moschee entfernt, die dunkel und unheilvoll in den Münchner Himmel ragte.
»Du kennst diesen Mann«, sagte Boris.
Zatschek nickte. »Offiziell arbeitet er in der Moschee, aber …«
»Ich verstehe.«
Zatschek sah auf seine Uhr. »Es ist Zeit«, sagte er. »Viel Glück.«
»Dir auch.« Boris sah ihn noch einmal an. »Übrigens, du siehst scheiße aus.«
Zatschek lächelte gequält. »Nichts dauert ewig.«
Boris trat auf die Straße hinaus und mischte sich unter die Fußgänger. Er war ein Experte darin, sich der Umgebung anzupassen. Besser, als Zatschek je sein würde. Einen kurzen Moment fragte er sich, ob er dem SWR-Agenten trauen konnte. Es gab keine absolute Sicherheit in diesem Geschäft. Man konnte nur versuchen, die Psyche eines Menschen zu deuten und ihn entsprechend zu beeinflussen. Sie waren nur kurz zusammen gewesen, aber es waren Momente von hoher Intensität gewesen, wie bei zwei Soldaten, die gemeinsam im Schützengraben lagen. Er hatte jedenfalls das Gefühl, Zatschek recht gut einschätzen zu können.
Es gab ohnehin kein Zurück mehr, jetzt, als er fast beim Seiteneingang der Moschee war. Er musste darauf vertrauen, dass ihn Zatschek nicht in eine Falle schickte.
Zwei Männer standen vor der Tür und unterhielten sich leise, doch als Boris näher kam, ging einer der beiden weg. Boris trat zu dem anderen, der klein und breitschultrig war. Sein dichter, lockiger Bart reichte bis auf die Brust herunter. Er roch nach Tabak und abgestandenem Schweiß.
»Es gibt keinen Gott außer dem einen«, sagte Boris.
»Gott ist gut, Gott ist groß«, gab der Mann zurück, dann drehte er sich um und führte Boris in die Moschee.
Er zog seine Schuhe aus und wusch sich die Hände im Becken eines steinernen Brunnens. Boris machte es ebenso. Der Mann geleitete ihn durch einen schmalen, schwach beleuchteten Gang, vorbei an kleinen türlosen Zellen, aus denen flüsternde Stimmen tönten wie das Summen von Insekten. Von weiter weg hörte Boris vielstimmigen Sprechgesang und die monotone Stimme des Muezzins, der zu den Gläubigen sprach. Die Atmosphäre war dicht und beklemmend, und Boris versuchte zu erkennen, wohin ihn der Mann führte.
Sie bogen nach links ab, dann nach rechts und gleich darauf noch einmal rechts. Das Haus war ein Labyrinth, dachte Boris. Es war sicher nicht einfach, hier schnell wieder herauszukommen. Schließlich blieb der Mann vor einer Tür stehen und drehte sich zu Boris um. »Geh hinein«, forderte er ihn auf.
»Du zuerst«, erwiderte Boris.
Sobald ihm der Mann den Rücken zugekehrt hatte, ging Boris’ Hand zu seiner Makarow. Der Mann drehte sich um, schüttelte den Kopf und streckte die Hand aus. Boris erstarrte.
»Es muss sein«, sagte der Mann.
Boris zog die Pistole, nahm die Patronen heraus und reichte ihm die Waffe.
Der Mann nahm sie, trat über die Schwelle, und Boris folgte ihm. Es war ein kleiner,
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