Der Bourne Befehl
sie so lange schwiegen.
Soraya und Marks wechselten einen kurzen Blick, dann räusperte sie sich. Ihre großen, tiefblauen Augen und ihre markante Nase prägten ihr zimtfarbenes arabisches Gesicht. Ihre starke Präsenz beeindruckte Hendricks; am meisten gefiel ihm jedoch, dass sie weder mädchenhaft noch maskulin wirkte, wie man es oft bei Frauen sah, die sich in männerdominierten Strukturen behaupten mussten. Sie war einfach sie selbst, was er ebenso erfrischend wie beruhigend fand. Er wägte jedenfalls alles, was sie sagte, genauso sorgfältig ab wie das, was Marks in das Gespräch einbrachte.
»Erst einmal wollen Peter und ich einem Hinweis nachgehen, der heute früh hereingekommen ist«, sagte Soraya schließlich.
»Was für ein Hinweis?«
»Entschuldigen Sie, Mr. Secretary«, warf Jolene ein und beugte sich zu ihm vor. »Ich habe Brad Findlay in der Leitung.«
Hendricks’ Kopf wirbelte herum. »Jolene, habe ich Ihnen nicht gesagt, dass wir bei dieser Besprechung nicht gestört werden wollen?«
Jolene wich unwillkürlich einen Schritt zurück. »Es tut mir leid, Sir, aber es ist schließlich der Leiter der Homeland Security, da habe ich angenommen …«
»Sie sollen nichts annehmen«, versetzte er gereizt. »Gehen Sie in die Küche. Das mit Findlay können Sie selbst regeln.«
»Ja, Sir.« Mit glühenden Wangen verschwand Jolene eilig aus dem Zimmer.
Marks und Soraya wechselten erneut einen kurzen Blick.
Schließlich räusperte sich Soraya. »Das lässt sich nicht so leicht sagen.«
»Es ist kein normaler Hinweis«, fügte Marks hinzu.
Hendricks zog die Augenbrauen zusammen. »Und was heißt das?« Er dachte überhaupt nicht mehr an Jolene, an den Anruf und seine gereizte Reaktion.
»Er kommt nicht von einem der üblichen Verdächtigen – von einem frustrierten Mullah, einem Opium-Warlord, von jemandem aus der russischen, albanischen oder chinesischen Mafia.« Soraya stand auf und ging im Zimmer auf und ab; geistesabwesend strich sie mit den Fingerspitzen über eine Bronzeskulptur und die Ecke eines Bilderrahmens. Cleo beobachtete sie mit ihren großen, glänzenden Augen.
Soraya blieb abrupt stehen und sah Hendricks an. »Dieser Hinweis kommt aus Kreisen, über die wir absolut nichts wissen …«
Der Verteidigungsminister zog die Stirn in tiefe Falten. »Ich verstehe nicht. Terrorismus …«
»Nicht Terrorismus«, erwiderte Soraya. »Jedenfalls nicht im herkömmlichen Sinn. Es handelt sich um jemanden, der den Kontakt zu mir gesucht hat.«
»Warum wollte er die Seite wechseln? Was hat er für ein Motiv?«
»Das war noch offen.«
»Also, wer immer Ihr Informant ist – bringen Sie ihn her, damit wir ihn befragen können«, sagte Hendricks. »Ich mag keine Geheimnisse.«
»Das wäre die normale Vorgangsweise, sicher«, warf Marks ein. »Leider ist er tot.«
»Ermordet?«
»Unfall mit Fahrerflucht«, antwortete Marks.
»Wir wissen nicht, ob es Mord war oder nicht.« Soraya griff nach der Lehne eines Polstersessels. »Wir wollen nach Paris fahren und der Sache nachgehen.«
»Vergessen Sie ihn. Sie haben Wichtigeres zu tun. Außerdem, wer weiß, ob der Kerl glaubwürdig war?«
»Er hat mir ein paar interessante Informationen über eine Gruppe namens Severus Domna gegeben.«
»Nie gehört, und der Name klingt auch nicht echt«, meinte Hendricks. »Mir kommt dieser Informant nicht wirklich glaubwürdig vor.«
Soraya ließ sich nicht beirren. »Also, das sehe ich anders.«
Hendricks erhob sich und trat an eines der Fenster. Als er Soraya Moore kennengelernt hatte, war ihm sofort aufgefallen, dass sie Menschen nicht sofort in eine Schublade steckte, sondern sie in ihrer Vielschichtigkeit akzeptierte. Dann hatte er ein bisschen nachgeforscht und herausgefunden, dass sie ein Verhältnis mit Amun Chalthoum hatte, dem Chef des ägyptischen Geheimdienstes. Er hatte Chalthoum sogar angerufen und ein interessantes zwanzigminütiges Gespräch mit ihm geführt. Danziger hatte die Affäre als Vorwand genommen, um sie zu feuern. Das war eine der vielen Dummheiten, die M. Errol Danziger seit seiner Amtsübernahme bei der CI begangen hatte. Typhons wertvolle Kontaktpersonen und Agenten waren nur ihr gegenüber loyal. Als Hendricks sie zur Kodirektorin von Treadstone ernannt hatte, waren sie ihr alle gefolgt. Dadurch wusste er, wie einzigartig sie war.
»Also gut, gehen Sie der Sache nach«, sagte er schließlich. »Aber Peter, Sie brauche ich hier. Treadstone ist noch im Aufbau, und ich habe es mir als
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