Der Bourne Befehl
eine Gruppe vorgestellt, die unserem aufgeblähten Geheimdienstapparat auf die Finger guckt. Seit Nine-Eleven wird die Lage immer unüberschaubarer. Im Moment haben wir 263 Behörden, die Geheimdienst-Aufgaben wahrnehmen. Und da zähle ich noch nicht einmal die vielen Privatfirmen mit, die wir angeheuert haben und überhaupt nicht mehr kontrollieren können; teilweise agieren sie hier in den Staaten so wie in einem Kriegsgebiet. Ist Ihnen bewusst, dass es derzeit 850 000 Amerikaner gibt, die Zugang zu streng geheimen Informationen haben? Also, wenn das nicht beunruhigend ist.« Er schüttelte entschieden den Kopf. »Nein, ich kann unmöglich meine beiden Direktoren gleichzeitig im Ausland operieren lassen.«
Marks machte einen Schritt auf ihn zu. »Aber …«
»Peter«, sagte Hendricks lächelnd. »Soraya hat mehr Einsatzerfahrung, also kriegt sie den Job. Das ist einfach nur logisch.« Bevor sie gingen, sagte er: »Ach, übrigens, ich habe erreicht, dass die Treadstone-Server Zugang zu den Datenbanken aller Geheimdienstorganisationen bekommen.«
Als sie weg waren, dachte Hendricks über Samaritan nach. Er hatte Marks absichtlich nichts von der Task Force erzählt; er wusste, Marks würde mithelfen wollen, die Sicherheit von Indigo Ridge zu gewährleisten. Und trotz der ausdrücklichen Ermahnung des Präsidenten, alle Kräfte für das Projekt zur Verfügung zu stellen, wollte Hendricks Peter ausschließlich für Treadstone haben. Diese Gruppe war jetzt sein Baby, für das er alles tun würde, auch wenn er damit Samaritan einen hervorragenden Mann vorenthielt. Es war ihm bewusst, dass er damit ein Risiko einging. Sollte einer der Beteiligten an der Sitzung im Oval Office – insbesondere General Marshall – Wind davon bekommen, dass er wichtiges Personal für sich allein beanspruchte, würde er in eine unhaltbare Position geraten.
Was soll’s, was wäre das Leben ohne Risiko?
Er trat ans Fenster und schaute hinaus. Seine Rosen sahen trostlos und ungepflegt aus. Er blickte ungeduldig auf seine Uhr. Wo war diese verdammte Rosenspezialistin, die er engagiert hatte?
Es war still hier draußen, das Haus stand etwas abseits des Innenstadttrubels. Normalerweise genoss er das; es half ihm nachzudenken. Aber heute war das anders. Er war mit dem quälenden Gefühl aufgewacht, dass er irgendetwas übersah. Hendricks war bereits zweimal verheiratet und geschieden gewesen, als er seine geliebte Amanda kennenlernte, heiratete und beerdigen musste. Er hatte einen Sohn von seiner zweiten Frau, der beim Nachrichtendienst der Marines in Afghanistan tätig war. Eigentlich hätte er sich Sorgen um ihn machen müssen, doch in Wahrheit dachte er nicht allzu oft an ihn. Er war kaum an seiner Erziehung beteiligt gewesen, es war fast so, als wäre er der Sohn eines anderen. Seit Amanda nicht mehr da war, hatte er keine engen Verbindungen mehr zu anderen Menschen. Das Einzige, was ihm Halt gab und was er wirklich brauchte, war sein Haus. Warum war das so? Stimmte etwas nicht mit ihm? In Restaurants, bei offiziellen Anlässen oder im Theater traf er oft Kollegen mit ihren Frauen, manchmal mit ihren erwachsenen Kindern. Er war immer allein, auch wenn er sich gelegentlich von einer Frau begleiten ließ – es waren meist Witwen, die den Kontakt zum gesellschaftlichen Leben des Beltway nicht verlieren wollten. Sie bedeuteten ihm nichts, diese Frauen in einem gewissen Alter mit ihren angespannten Gesichtern, die Brüste bis zum perfekt modellierten Kinn hochgedrückt, in ihren langen Kleidern, die sie sich anfertigen ließen, um Eindruck zu machen. Mit Handschuhen, um ihre Altersflecken zu verbergen.
Das laute Klingeln der Türglocke riss ihn aus seinen Gedanken. Er öffnete die Haustür, vor ihm stand eine Frau Mitte bis Ende dreißig. Sie hatte ein herzförmiges Gesicht, trug eine Stahlrandbrille und hatte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Bekleidet war sie mit einer Jeans-Latzhose, einem karierten Männerhemd, froschgrünen Clogs und einem Leinenhut.
Sie stellte sich als Maggie Penrod vor und reichte ihm ihre Papiere, wie sie es schon bei den Bodyguards getan hatte, die das Haus bewachten. Sie hatte an der Sorbonne und am Trinity College in Oxford studiert, ihr verstorbener Vater war Sozialarbeiter gewesen, ihre ebenfalls verstorbene schwedische Mutter hatte im Schulbezirk Bethesda Sprachen unterrichtet. Es war nichts Außergewöhnliches an ihr, außer ihrem Duft, der ihm in die Nase stieg, als sie sich vorbeugte, um ihre
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