Der Bourne Befehl
nichts wissen sollen.«
Soraya hatte schon eine scharfe Bemerkung auf den Lippen, doch dann dachte sie noch einmal über Peters Mutmaßung nach. Sie und Peter hatten jahrelang in der CI zusammengearbeitet. Mit der Zeit hatten sie einander vertrauen gelernt, was in einer solchen Organisation keine Kleinigkeit war. Und ihr gegenseitiges Vertrauen beruhte zu einem guten Teil auch auf Instinkt und Gefühl. Was hatte Peter gesehen oder gespürt, das ihr entgangen war? Nachdem Hendricks ihr grünes Licht gegeben hatte, dem Vorfall in Paris nachzugehen, war sie so erleichtert gewesen, dass sie kaum noch zugehört hatte. Ziemlich dumm von ihr.
»Hey, nicht so stürmisch, Cowboy!«, rief sie, als er den Wagen um das Heck eines Trucks herumriss. »Ich möchte wenigstens noch bis heute Abend leben.«
»Sorry«, murmelte Peter.
Sie sah, dass er sich wirklich Sorgen machte. »Okay, was kann ich tun?«
»Geh nach Paris, und sieh zu, was du über den toten Informanten rauskriegen kannst – vor allem, wer ihn umgebracht hat.«
Sie sah ihn skeptisch an. »So lass ich dich nicht gern allein.«
»Du musst es ja nicht gern tun.«
Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Peter, ich mach mir Sorgen, dass du vielleicht etwas Dummes tust.«
Er sah sie finster an.
»Oder zumindest etwas Gefährliches.«
Er atmete tief durch. »Glaubst du, es würde etwas ändern, wenn du hier wärst?«
Sie zog die Stirn in Falten. »Nein, aber …«
»Dann setz dich in den nächsten Flieger nach Paris.«
»Du hast irgendwas vor.«
»Nein, hab ich nicht.«
»Verdammt, diesen Blick kenne ich.«
Er biss sich in die Wange. »Bevor du fährst, könntest du noch Amun anrufen.«
Soraya dachte im ersten Moment, er wollte sie aufziehen, doch als sie einen Moment überlegte, erkannte sie, wie klug sein Vorschlag war. »Du könntest recht haben. Amun kann uns vielleicht wirklich einen neuen Blickwinkel auf diese geheimnisvolle Gruppe liefern.«
Sie zog ihr Handy hervor und schrieb eine SMS: »Ank. Paris morgen früh. Mordfall. Kommst du?«
Sie spürte, wie ihr Herz heftig zu pochen begann. Sie hatte Amun über ein Jahr nicht gesehen, doch erst jetzt merkte sie, wie sehr sie ihn vermisst hatte – sein strahlendes Lächeln, seine Berührungen, seinen scharfen Geist.
Sie runzelte die Stirn. Wie spät war es jetzt in Kairo? Fast halb elf Uhr abends.
Wenig später summte ihr Handy – eine Nachricht war gekommen. »Ank. Paris übermorgen, 8.34 Ortszeit.«
Soraya spürte, wie sie von Wärme durchflutet wurde. Sie beugte und streckte ihre Finger.
»Was ist?«, fragte Peter.
»Meine Fingerspitzen kribbeln.«
Peter warf den Kopf zurück und lachte.
Essai verließ mit Bourne Corellos’ Lager. Die Scheinwerfer beleuchteten den Weg durch den dichten Wald des Bosque de Niebla de Chicaque, doch zwischen den Ästen tauchte bereits das erste rosa-blaue Licht des Tages auf. Die ersten Vögel waren bereits zu hören.
»Wir fahren nach Westen statt nach Osten«, sagte Bourne, »zurück nach Bogotá.«
»Wir fahren zum Flughafen Perales«, erklärte Essai. »Dort nehme ich ein Flugzeug nach Bogotá, Sie fahren weiter nach Westen, nach Ibagué. Das liegt in den Bergen, etwa hundertvierzig Kilometer westlich von Bogotá.«
»Und warum soll ich dorthin?«
»In Ibagué werden Sie einen Mann namens Estevan Vegas aufsuchen. Er gehört zur Domna – ein schwaches Glied, könnte man sagen. Ich wollte mit ihm reden und ihn dazu bringen, die Seite zu wechseln – aber jetzt sind Sie da, und ich glaube, Sie haben bessere Chancen als ich.«
»Das müssen Sie mir schon ein bisschen genauer erklären.«
»Mit Vergnügen.«
Jetzt, wo sie Corellos’ Lager hinter sich hatten, wirkte Essai entspannter, fast fröhlich, falls man das von diesem wortkargen, von Rache besessenen Mann überhaupt sagen konnte.
»Es ist eigentlich ganz einfach. Ich bin eine bekannte Größe in der Domna – ein Verräter, ein Paria. Selbst für einen Mann wie Vegas, der in seiner Loyalität zur Domna schwankt, wäre es problematisch, sich mit mir abzugeben. Bei mir würde er wahrscheinlich viel sturer sein.«
»Während ich eine unbekannte Größe bin«, sagte Bourne. »Mir wird Vegas eher zuhören?«
»Das hängt ganz von Ihrer Überredungskunst ab. Nach allem, was ich über Sie gehört habe, ein weiterer Grund, Sie die Sache in die Hand nehmen zu lassen.«
Bourne überlegte einen Augenblick. »Und wenn er redet?«
»Dann haben Sie aktuelle Informationen über die Domna. Ich bin ja leider
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