Der Bourne Befehl
seit einiger Zeit vom Informationsfluss abgeschnitten. Ich weiß nichts Genaues mehr über ihre Pläne und Vorhaben.«
»Vegas lebt ziemlich abgelegen«, meinte Bourne.
»Für die Domna gibt es keine abgelegenen Gegenden«, erwiderte Essai. »Sie haben ihre Augen und Ohren überall.« Die Straße, auf der sie jetzt fuhren, war voller Schlaglöcher, sodass sie langsamer vorankamen. »Vegas weiß vielleicht nicht alles, was wir wissen müssen, aber er kennt bestimmt jemanden, der über alles informiert ist. Es wäre dann Ihre Aufgabe, demjenigen die Informationen zu entlocken. Dann nehmen Sie ein Flugzeug von Perales. Ihr Ticket wartet dort auf Sie.«
»Und während ich in den dunklen Winkeln der Organisation stöbere – was werden Sie inzwischen tun?«
»Ich werde ein kleines Ablenkungsmanöver starten, damit Sie ungestört arbeiten können.«
»Was genau?«
»Glauben Sie mir, es ist besser für Sie, es nicht zu wissen.« Essai manövrierte das Fahrzeug um ein tiefes Loch herum. »Im Handschuhfach habe ich ein Ersatztelefon, aufgeladen und betriebsbereit. Außerdem eine detaillierte Karte der Gegend. Ibagué ist deutlich hervorgehoben, genauso wie das Ölfeld, das Vegas leitet.«
Bourne beugte sich vor, öffnete das Handschuhfach und überprüfte den Inhalt.
»Die Nummer meines eigenen Satellitentelefons ist schon einprogrammiert«, fuhr Essai fort. »Wir können immer in Verbindung bleiben, egal wo wir sind.«
Sie rumpelten an einer Schlucht mit steilen Felswänden vorbei, und ein paar Kilometer weiter donnerte ein riesiger Wasserfall von einer blutroten Klippe zu Tal. Das Blätterdach war nun nicht mehr so dicht, mehr Licht sickerte durch, wie ein Morsecode im Gewirr der Zweige.
Sie brachen durch den westlichen Waldrand, und Bourne starrte in die Landschaft hinaus. Im Westen erhob sich eine dicht bewaldete Gebirgskette; dort musste er hin.
»Was können Sie mir über diesen Vegas sagen?«
»Er ist schwer zugänglich und bisweilen ziemlich aggressiv.«
»Na toll.«
Essai ignorierte Bournes Sarkasmus. »Aber er hat auch eine andere Seite. Er arbeitet schon lange im Ölgeschäft. Seit fast zwanzig Jahren leitet er die Erdölförderung dort, wahrscheinlich fließt in seinen Adern schon Öl. Jedenfalls ist er ein harter Arbeiter, auch heute noch, dabei ist er sicher schon sechzig oder drüber. Er trinkt nicht wenig, hat schon zwei Frauen beerdigt und eine Tochter an einen Brasilianer verloren, der sie verführt und überredet hat, mit ihm zu kommen. Er hat seit dreißig Jahren nicht mehr mit ihr gesprochen.«
»Söhne?«
Essai schüttelte den Kopf. »Er lebt jetzt mit einer jungen indianischen Frau, aber soviel ich weiß, war sie nie schwanger.«
»Was mag er gar nicht?«
Essai sah ihn fragend an. »Sie meinen, was er mag?«
»Es ist wichtiger, zu wissen, was man besser nicht sagt oder tut«, erklärte Bourne.
»Ich verstehe.« Essai nickte nachdenklich. »Er hasst Kommunisten und Faschisten gleichermaßen.«
»Wie steht’s mit Drogenbossen?«
Essai überlegte einen Moment lang, worauf Bourne hinauswollte, doch er war klug genug, nicht danach zu fragen. »Dazu kann ich Ihnen nichts sagen.«
Bourne dachte einige Augenblicke nach. »Interessant finde ich, dass er sein Kind verloren hat und trotzdem mit seiner jetzigen Frau keine Kinder hat, obwohl seine Situation jetzt ideal dafür wäre.«
Essai zuckte die Achseln. »Es tut zu weh. Das kann ich nachempfinden.«
»Aber würden Sie …?«
»Meine Frau ist zu alt.«
»Genau das meine ich. Seine Frau nicht.«
Peter Marks beobachtete, wie die Gärtnerin in ihren SUV stieg und wegfuhr. Er hatte sie im Garten beobachtet. Sie hatte langsam und sorgfältig gearbeitet und dabei den Rosen leise zugemurmelt, wie in einem Liebesakt. Sie fuhr weg, ohne auf die Sicherheitsleute zu achten.
Die vier Männer, die Hendricks’ Haus bewachten, bereiteten ihm einiges Kopfzerbrechen. Wenn er den Verteidigungsminister beschatten wollte, um herauszufinden, was er vor ihnen verbarg, dann musste er unbemerkt bleiben. Er betrachtete das als Herausforderung, nicht als Problem.
Peter pflegte Herausforderungen immer direkt anzupacken – mit einem Eifer, der in seiner Jugend noch größer gewesen war als heute. Im Alter von zehn Jahren war er von Pater Benedict, dem Pfarrer der Gemeinde, hinter der Sakristei missbraucht worden. Aber im Gegensatz zu den anderen Knaben, denen das widerfahren war, hatte Peter es seinem Vater erzählt. Und nicht nur das – er hatte
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