Der Brand der Cheopspyramide
rettende Tenderschiff kam und Wärme in diese Eiswüste brachte.
Iversen hatte sich, so gut es gehen wollte, in einen dicken Smyrnateppich eingewickelt. Trotzdem zitterte er vor Frost. Mechanisch schaute er durch das Fenster den Maschinisten bei ihrer Arbeit zu. Sah verwundert schärfer hin. Stand dort nicht ein Passagier bei den Maschinisten? War das nicht die Gestalt Eiseneckers, die dort im Scheine der Fackeln sichtbar wurde?
Da sah er ihn auch schon wieder eintreten, sah ihn zu seinem Gepäck gehen und sich damit beschäftigen.
Malte von Iversen hielt es für geboten, sich möglichst wärmefest in seinem Smyrnateppich zu verkriechen, denn die Kälte wurde schlimmer und schlimmer.
Eisenecker sah, daß die Komödie im Begriff stand, sich zur Tragödie zu wandeln. Verstummt die Scherze über den Mummenschanz. Verklungen das Lachen über die wunderlichen… grotesken Bilder, die einzelne da in den Verkleidungen boten.
Wie lange würde es noch dauern, bis das Hilfsschiff kam? Selbst bei günstigster Fahrt mußte es noch Stunden dauern. Stunden, in denen vielleicht schon manchen der Passagiere der eisige Tod weggerafft… Und kam es gar, ohnmächtig, gegen den wahnsinnigen Sturm, der über die Eisfläche brauste, anzukämpfen, erst am nächsten Morgen… keinen einzigen von der Besatzung der ›Potomac‹ mehr… einen Sarg würde es finden.
Weit draußen auf dem Eise. Eisenecker war’s, der dort gegen den Sturm ankämpfte, die Taschenlampe in der einen, den Kompaß in der anderen Hand, Schritt für Schritt vordrang. Oft mußte er stehenbleiben. Atem schöpfen, neue Kraft sammeln.
Immer wieder warf der Sturm ihn zu Boden. Er nahm die Lampe zwischen die Zähne. Keuchend kroch er geblendet von den Schneeflocken vorwärts. Immer wieder drohten die Kräfte ihn zu verlassen. Eine tiefe Schneewehe. Er stürzte hinein. Die Lampe entglitt ihm. Die starren Hände tasteten nach ihr, fanden sie nicht… das Ende?
Mit letzter Kraftanstrengung warf er sich zur Seite, den Rücken gegen eine Schneewehe gelehnt. Hier traf ihn der Sturm weniger.
Eine unendliche Müdigkeit… unendliche Ruhe überkam ihn… Ah! Wie tat das wohl, hier zu liegen. Die Augen fielen ihm zu. Schlafen… schlafen… Ruhe!
Und so lag er, und wie im Fluge glitt sein Leben, alles was er getan, an ihm vorüber…
Barsum!… Der Tag, der die Wende bedeutete. Wie ein krankes Tier hatte er sich nach jenem Furchtbaren in seine Höhle… in das fast vergessene Vaterhaus zurückgezogen. Hatte gewartet, sich in Sorge und Liebe um Mette Harder verzehrend, daß irgendein Lebenszeichen zu ihm dränge. Ein halbes Jahr verstrich darüber. Da las er in der Zeitung von der Verlobung Mettes mit dem anderen. In tage- und nächtelangem Kampf hatte er mit sich gerungen. Er hatte geglaubt, zugrunde gehen zu müssen. Zwecklos jede Lebensstunde ohne Mette an seiner Seite.
Der Herbst war ins Land gegangen. Eine Schar Zugvögel in langer Kette über seinem Kopf nach Süden steuernd… ihnen nach! Reisen! In die weite Welt!… Vergessenheit suchen!
Schon hatte er mit einem letzten Blick Abschied nehmen wollen vom Vaterhaus. Da war ihm der alte Wahlspruch der Eisenecker, der oben im Querbalken des Tores tief eingehauen stand, in die Augen gefallen:
Holt fast und kolt Isen!
Er hatte ihn gelesen, wieder und wieder, bis sich unbewußt seine Lippen öffneten, er die harten Worte laut vor sich hinsprach, sie schrie.
Da war es ihm klar geworden: Halt fest! Gib’s ihnen!
Und dann war er an das große Werk getreten… das Werk, das ihn… gelang es… zum Herrn der Welt machen mußte, Tag und Nacht… Jahr um Jahr hatte er gearbeitet. Das jahrhundertealte Besitztum der Eisenecker war dabei zugrunde gegangen. Schon das Dach über seinem Haupte bedroht. Da war der gleißende Klumpen aus dem Kasten gesprungen, der Bote des Sieges…
Der Kasten!…
Seine Hand fuhr zur Seite. War’s denn möglich? Hier lag er, den Tod erwartend, und der Retter hing ihm zur Seite.
Holt fast!
Die Hand klammerte sich um den kleinen Kasten. Er fühlte, wie die Schrauben und Spangen nachgaben. Sein Werk… Zepter und Krone! Herr über die Menschen… über die Natur! Die Hand, die den Kasten umspannt. Eine wohlige Wärme daran zuerst… immer stärker werdend. Schon zuckte die Hand zurück. Unbeabsichtigter Zufall! Es arbeitete darin.
Mit einem Sprung stand er da. Kinderspiel! Ein König, der nicht wußte, wie weit seine Macht ging. Da lag die Lampe. Er ergriff sie, schaltete sie ein. Mit neuer
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