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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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konnte die Schultern immer noch nicht gerade halten, und der blaue Rock mit den Goldknöpfen hing lose um seine mächtige Gestalt.
    Seit seiner Verwundung mußten jetzt sechs Monate vergangen sein und drei seit der Ankunft des Kurierschiffs mit den Anweisungen der Admiralität, die das Schicksal der Insel endgültig regelten.
    Bolitho sagte: »Wenn wir England erreichen, wird es dort Frühling sein. Ein volles Jahr ist seit unserem Auslaufen vergangen.«
    Dabei beobachtete er Alldays Gesicht, aber der zuckte nur mit den Schultern und antwortete: »Wahrscheinlich hat sich die ganze Aufregung bis dahin wieder gelegt, Sir.«
    »Kann sein.«
    Allday grübelte also immer noch, fürchtete das Land mehr als die Gefahren auf See. Einem alten Seemann ging es da nicht anders als seinem Schiff: sobald es unnütz festlag und nicht mehr gebraucht wurde, war es zum Verfall verurteilt.
    Bootsmannspfeifen schrillten an Deck oben und Befehle wurden gebrüllt, während die Seitenwache an der Pforte aufzog.
    Bolitho erhob sich und ließ sich von Ozzard seinen Paraderock bringen. Mit der Fregatte war auch der neue Gouverneur für San Felipe eingetroffen, ein schmächtiger Mann mit einem Vogelgesicht, der im Vergleich zu Rivers farblos wirkte.
    Und er brachte die Anweisung mit, daß Rivers auf
Achates
nach England zurückgeschafft werden sollte. Pech für uns beide, dachte Bolitho.
    Oder wie Keen bemerkt hatte: »Hölle und Teufel, warum ausgerechnet wir? Die Pest über diesen Mann!«
    Ozzard klopfte an dem goldbetreßten Uniformrock herum und musterte die Goldepauletten mit sachkundigem Interesse. Dann griff er nach dem Prunksäbel an der Wand, ließ aber die Hände sinken, als Bolitho schnell den Kopf schüttelte.
    Er wartete darauf, daß Allday die alte Familienwaffe von ihrem Platz nahm und ihm an den Gürtel schnallte, wie immer.
    Bolitho hatte Belinda von Alldays Mut geschrieben und auch den Preis erwähnt, den er dafür hatte zahlen müssen. Sie würde besser als jeder andere wissen, was jetzt zu tun war. Mit einem schnellen Kurier mußten seine Briefe lange vor
Achates
in England sein.
    »Danke. Ich gehe und begrüße unseren – an – Gast.«
    Allday begleitete ihn an Deck, wo Bolitho Rivers an der Eingangspforte warten sah, flankiert von seiner Eskorte. Er trug Handschellen, und Leutnant Lemoine beeilte sich zu erklären: »Befehl des Obersten, Sir.«
    Bolitho nickte unbeeindruckt. »An Bord befindet sich Sir Humphrey in meinem Gewahrsam, Mr. Lemoine. Und ich wünsche nicht, ihn in Eisen zu sehen.« Die überraschte, fast erschreckte Dankbarkeit in Rivers’ Blick blieb ihm nicht verborgen. Dann sah er seine Augen zum Vormasttopp schweifen, wo die Flagge in der frischen Brise auswehte. Da er selbst Vizeadmiral gewesen war, suchte er diesen Anblick wohl bis zuletzt auszukosten.
    »Meinen Dank dafür, Bolitho.«
    Bolitho sah Keen im Hintergrund die Stirn runzeln. »Das ist aber auch alles, obgleich das mindeste, was ich für Sie tun kann.«
    Rivers blickte hinüber zur Stadt, an deren Uferstraße sich eine Menschenansammlung eingefunden hatte, um ihn abreisen zu sehen. Kein Jubel, aber auch keine Schmährufe. Typisch für die Insel, dachte Bolitho, mit ihrer stürmischen Vergangenheit und Ungewissen Zukunft.
    Aber was kümmerte es ihn? Warum sollte er den Mann bedauern, diesen Verräter und Piraten, dessen selbstsüchtige Gier so viele Menschenleben gefordert hatte? Rivers hatte zwei Söhne, die in London lebten und ihm schon einen tüchtigen Verteidiger für seinen Prozeß besorgen würden. Vielleicht konnte er sich sogar noch einmal herausreden. Die im Kriegsfall so wertvolle Wehrhaftigkeit der Insel ging schließlich zum großen Teil auf ihn zurück, auch wenn seine Motive dabei anderer Art gewesen waren.
    Bolitho mußte sich eingestehen, daß die Hauptschuld bei den allmächtigen Herren in London lag, die es zugelassen hatten, daß Rivers seine Macht zum eigenen Vorteil immer weiter ausbaute.
    Keen sah Rivers nach, der nach unten geführt wurde, und murrte: »Ich hätte ihn in die Arrestzelle gesteckt.«
    Bolitho lächelte. »Wenn Sie jemals in Gefangenschaft geraten, Val, was hoffentlich niemals geschehen wird, dann werden Sie mich verstehen.«
    Ungerührt grinste Keen. »Aber bis dahin, Sir, kann ich ihn nicht ausstehen.«
    Fähnrich Ferrier trat heran, grüßte und meldete Keen: »Mr. Tyrrell ist an Bord gekommen, Sir.«
    Bolitho wandte sich um. Tyrrell hatte sich seit dem Verlust seiner
Vivid
überwiegend an Land

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