Der Brander
Hand.
»An die Brassen!« Mit vorgerecktem Kopf tigerte Quantock an Deck hin und her; im Augenblick jedenfalls war seine Verbitterung über den komplizierten Anforderungen seines Handwerks vergessen.
»Anker ist frei!«
Es war kein schneidiges Manöver unter Vollzeug und mit starker Krängung, nein,
Achates
ging langsam und mit der ganzen Würde ihrer Jahre durch den Wind, ließ die Sonne kurz von ihrer Galionsfigur reflektieren und dann auf den verschalkten Stückpforten und der frisch gestrichenen Rumpfwölbung schimmern.
»Bramsegel los, aber bißchen plötzlich, Mr. Scott! Ihre Leute sind heute lahm wie alte Weiber!«
Knallend füllten sich die Segel mit Wind, bis sie steif wie Bretter standen; mit einer leichten Bugwelle unter ihrem Wasserstag glitt
Achates
auf die Hafenausfahrt zu.
Bolithos Augen hingen an dem schmalen Fahrwasser, das ihm nicht viel breiter vorkam als ein Hoftor. Auch Keen, das sah er mit einem kurzen Seitenblick, mußte wieder daran denken, wie sie bei völliger Dunkelheit hier durchgebrochen waren.
»Recht so!« Das war Knockers Stimme. Sogar er schien ungewohnt heiter, als er fortfuhr: »Mr. Tyrrell, Sie kennen sich hier besser aus.
Ich wäre Ihnen dankbar für Ihren Rat.«
Hoch über ihnen glitt die Festung vorbei und darunter der leicht ansteigende Feldweg, auf dem der Trommelbube gefallen war und Rivers seinen größten Fehler gemacht hatte.
Die Flagge über dem alten Turm wurde grüßend gedippt; auf der zinnenbewehrten Bastion stand eine Reihe rotuniformierter Soldaten mit aufgepflanzten Bajonetten und salutierend gesenkten Fahnen. Die Bramsegel von
Achates
warfen huschende Schatten auf die Festungsmauern.
»So schnell werden die das alte Käthchen nicht vergessen«, murmelte Allday. Lauschend wandte er sich um, als der kleine Musikzug mit seinen Pfeifern und Trommlern ein munteres Abschiedslied anstimmte.
Bolitho sah, daß Alldays Hand noch einmal zur Wunde tastete, aber dann zog er sie entschlossen zurück und legte sie neben seiner auf den Handlauf.
Als lasse er mit der Insel auch den Schmerz hinter sich zurück.
Das Geheimnis
Bolitho stieg die nassen Planken zur Luvseite hinauf und griff haltsuchend in die Wanten des Besanmasts.
Das Schiff schüttelte sich und stampfte schwer in den hohen Seen, die mit ungebrochener Wucht schräg gegen sein Achterschiff anrannten.
Wieder einmal sackte der Bug weg, donnernd stieg die See übers Vorschiff ein und schäumte wie ein Wasserfall auf dem oberen Batteriedeck nach achtern, umbrandete die Kanonen und gurgelte schließlich durch die Speigatten außenbords – bis zum nächsten Ansturm.
Trotz der heftigen Schiffsbewegungen und der unbehaglichen Nässe hätte Bolitho jubeln mögen; ihn erfüllte eine Begeisterung, die er seit seinen Tagen als junger Kommandant nicht mehr gekannt hatte.
Das graue Gesicht des Atlantiks – wie sehr unterschied es sich doch von den Gewässern um San Felipe: gefurcht von wilden Seen, deren helle, brechende Kämme ihn anfletschten wie gelbe, scharfkantige Zähne, reckte es sich ihm trotzig entgegen.
Achates
wetterte den unerwarteten Sturm unter Breitfock und gerefften Marssegeln ab und hielt sich bei den rauhen Bedingungen recht tapfer. Trotzdem, in der kurzen Zeit, seit er an Deck gekommen war, hatte Bolitho den Bootsmann und seine Gang losgerissene Beiboote wieder festzurren gesehen, immer im Kampf mit dem überkommenden Wasser, das sie von den Füßen zu reißen drohte; genauso mußten Kanonen neu gesichert werden oder Männer aufentern, um gebrochene Teile des Riggs zu reparieren.
Auch Keen hielt sich an Deck auf. Der Sturm zerrte an seinem Ölzeugmantel, als er, über den Kompaß gebeugt, sich schreiend mit dem Master unterhielt.
Seit ihrem Auslaufen von San Felipe hatte das Wetter sie ständig genarrt. Zunächst war die Brise eingeschlafen, sobald die Insel hinter den Horizont gesunken war. Tagelang hatten sie in der Flaute gedümpelt, ehe sie wieder Segel setzen und die vielen Seemeilen zurückgewinnen konnten, die sie verdriftet waren.
Jetzt standen sie weit draußen im Atlantik und bekamen die andere Seite zu spüren. Trotz der vielen Reparaturen, von denen manche mangels einer Werft nur behelfsmäßig ausgeführt waren, hatte sich das Schiff bisher behauptet. Zum Glück für uns alle, dachte Bolitho grimmig, denn das nächste Land waren die Bermudas, etwa zweihundert Meilen weiter nordwestlich.
Hier kam wieder eine. Bolitho hielt den Atem an, als die See übers Luvschanzkleid kochte
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