Der Brander
ihre demütigende Arbeitslosigkeit hinter sich zu lassen; aber nun würden sie nach allem, was sie gemeinsam erlebt und bewältigt hatten, nur zu gern in die Heimat zurückkehren.
Auch Bolitho dachte an Falmouth, an seine neugeborene Tochter. Welchen Namen Belinda wohl für sie ausgesucht hatte?
Er sagte: »Ich gehe unter Deck. Der Offizier der Wache soll die Mannschaft tüchtig beschäftigen. Ich will keine langen Gesichter sehen, wenn die Nachrichten enttäuschend sind.«
Adam trat zurück und tippte grüßend an den Hut. Vergeblich versuchte er zu erraten, was seines Onkels nächster Schachzug sein würde.
Als Bolitho seine Kajüte betrat, stellte er zu seiner Überraschung fest, daß Allday den Dienst wieder aufgenommen hatte; eifrig polierte er den alten Familiensäbel.
»Du sollst dich ausruhen, Mann! Wirst du denn, verdammt noch mal, nie tun, was dir gesagt wird?«
Aber diesmal blieb seine scheinbare Verärgerung ohne jede Wirkung.
Allday rieb noch einmal mit dem Tuch über die Klinge, dann blickte er zu Bolitho auf.
»Der Arzt sagt, daß ich mich nie mehr ganz erholen werde, Sir.« Bolitho schritt zu den offenen Heckfenstern. Das war es also. Eigentlich hätte er es voraussehen müssen. Allday ging nach wie vor leicht gekrümmt, als hindere ihn die tiefe Wunde daran, sich aufzurichten.
Leise fuhr Allday fort: »Für einen Admiral wäre ich ein trauriger Bootsführer, deshalb wollte ich…«
Bolitho unterbrach ihn. »Niemand, den ich kenne, hat sich das bequeme Leben an Land so ehrlich verdient wie du. In Falmouth wartet Arbeit auf dich, aber das weißt du längst.«
»Ja, und ich danke Ihnen dafür, Sir. Aber das allein ist es nicht.« Allday sah auf den Säbel nieder. »Sie brauchen mich nicht mehr. Nicht dafür.«
Bolitho nahm ihm den Säbel aus den Händen und legte ihn auf den Tisch. »Wofür? Bloß weil du im Moment etwas wacklig auf den Beinen bist? Glaub mir, binnen kurzem bist du wieder der alte rebellische Haudegen.« Er legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich werde nie ohne dich segeln, es sei denn, du willst nicht mitkommen. Mein Wort darauf.«
Allday stand auf und unterdrückte eine Grimasse, als ihn ein stechender Schmerz durchfuhr. »Dann ist das also geregelt, Sir.« Schleppenden Schrittes verließ er die Kajüte.
Alldays Entschlossenheit und Stolz waren ungebrochen, dachte Bolitho traurig. Und er lebte, das war die Hauptsache.
Später am Tag, als sich die Sonne schon der glatten See zuneigte, trat Bolitho in die Offiziersmesse; nach der Geräumigkeit seiner Kajüte und der Keens kam sie ihm eng und überfüllt vor.
Steif machte Quantock Meldung: »Alle Offiziere und Decksoffiziere wie befohlen zugegen, Sir.«
Bolitho nickte. Quantock war ein kalter Fisch, den auch das Gefecht nicht menschlicher gemacht hatte.
Als Adam die Tür hinter ihm geschlossen hatte, sagte der Vizeadmiral: »Bitte, nehmen Sie Platz, meine Herren, und Dank für die Einladung.« Der alte Brauch amüsierte ihn immer wieder. In der Offiziersmesse war jeder Vorgesetzte, sogar Keen, lediglich ein geduldeter Gast. Aber hatte man wirklich jemals einem Vorgesetzten den Eintritt verwehrt? fragte er sich.
Er musterte die erwartungsvollen Gesichter. Sonnengebräunt und zuverlässig. Selbst die Kadetten und Fähnriche, die sich ganz achtern um den Ruderschaft drängten, machten den Eindruck von Männern, nicht mehr von Jungen. Die Leutnants und die beiden Anführer der Marinesoldaten, der mönchshafte Segelmaster Knocker und der Schiffsarzt Tuson – er hatte sie kennen und verstehen gelernt, seit seine Flagge im Vortopp gehißt worden war.
Bolitho begann: »Sie wissen inzwischen, daß die Kurierbrigg aus England auch Depeschen für uns an Bord hatte. Ihre Lordschaften haben sich mit den Berichten aus San Felipe eingehend beschäftigt und sind sich der wichtigen Rolle bewußt, die Ihrem Einsatz bei dieser schwierigen Mission zukommt.«
Er sah, wie Mountsteven seinen Freund, den Sechsten Offizier, anstieß.
»Weiterhin hat man mich unterrichtet, daß Frankreichs Einmischung im Mittelmeer und der Druck, den es auf die Regierung Seiner Majestät wegen der Evakuierung Maltas ausübt – einer Vereinbarung in eben jenem Vertrag, der uns zur Übergabe dieser Insel hier zwang –, daß all dies weitere Verhandlungen verhindert. Als unmittelbare Folge daraus werden alle französischen und holländischen Kolonien, in deren Rückgabe wir eingewilligt hatten, in britischem Besitz bleiben. Und das, meine Herren, gilt
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