Der Brander
Bolitho den dünnen, eingeschüchterten Jungen von damals vor sich: furchtsam, aber mit der trotzigen Unruhe eines Fohlens. Nun glaubte er, Robina lachen zu hören. Ja, er gönnte Adam diese Ablenkung.
Ein Lakai öffnete beide Türflügel, und ein hochgewachsener Mann in flaschengrünem Rock und weißen Strümpfen betrat die Bibliothek.
»Und hier ist nun Samuel Fane aus Washington«, stellte Chase ihn vor.
In Fanes schmalem, unbewegtem Gesicht schien sich das Leben ganz in die tiefliegenden, funkelnden Augen zurückgezogen zu haben, die dicht an der kräftigen Hakennase saßen.
»Und Sie sind Vizeadmiral Bolitho«, nickte er statt eines Grußes.
»Also, kommen wir zur Sache.«
Bolitho ließ den schon ausgestreckten Arm sinken. Vielleicht mochte Fane nicht mit einem alten Feind einen Händedruck tauschen. Verständlich, aber trotzdem ein Affront.
Seltsamerweise ließ ihn das irgendwie gelassener werden: die innere Ruhe vor einem Duell, wenn man sich damit abgefunden hat, daß jede Hoffnung auf eine einfache Lösung nur Selbsttäuschung wäre.
Im gleichen trockenen Ton fuhr Fane fort: »San Felipe. Würden Sie mir bitte erklären, Admiral, weshalb Ihre Regierung sich für berechtigt hält, diese Insel und ihre Bevölkerung wie etwas Wertloses wegzuwerfen? Woher nimmt sie dieses Recht?«
»Beruhigen Sie sich, Sam«, mahnte Chase unbehaglich. »Sie wissen doch, daß die Sache anders liegt.«
»Weiß ich das?« Die tiefliegenden scharfen Augen ließen Bolitho keine Sekunde los.
Bolitho lächelte andeutungsweise. »So wurde es beim Friedensschluß vereinbart. Und
das
wissen Sie sicherlich. Ich darf doch annehmen, daß die französische Regierung Sie über Amiens ins Bild gesetzt hat?«
Chase mischte sich ärgerlich ein. »Natürlich hat sie das. Sagen Sie’s ihm, Sam, und kommen Sie von Ihrem hohen Roß herunter. Der Krieg ist aus, vergessen Sie das nicht.«
Fane warf ihm einen kalten Blick zu. »Das kann ich schon deshalb nicht vergessen, weil ich ständig daran erinnert werde, wie gut manche aus dem Blut der Opfer Geld zu machen verstanden.«
Bolitho sah Chases Blick wütend aufflackern. »Ich dachte, Frankreich sei Ihr Freund und Verbündeter?« wechselte er das Thema.
Fane zuckte die Schultern. »So war es. Vielleicht wird es auch künftig so sein. Aber was San Felipe betrifft, das im Süden vor unserer Haustür liegt, so gilt das nicht.«
»Die Menschen auf San Felipe sind britische Untertanen«, stellte Bolitho fest.
Chase grinste. »Das waren auch die meisten von uns. Früher.«
Fane schien ihn nicht gehört zu haben. »Vor einiger Zeit erhielt ich eine Depesche des Gouverneurs von San Felipe. Die Uneinsichtigkeit der britischen Regierung bereitete ihm naturgemäß Sorgen. Er ist nicht geneigt, die ihm aufgezwungene Lösung zu akzeptieren, das heißt, eine blühende Insel vor den Franzosen zu räumen oder – von ihnen geduldet – unter französischer Flagge dort weiterzuwirken.«
»Das verstehe ich.«
»Wirklich, Admiral? Das läßt mich hoffen. Aber wie dem auch sei, die Regierung der Vereinigten Staaten ist nicht gewillt, tatenlos zuzusehen, wenn Menschen wie afrikanische Sklaven von einer Hand in die andere verschachert werden.«
Bolitho war aufgesprungen und hörte sich zu seiner eigenen Überraschung wütend erwidern: »Dann ist es sinnlos, daß Sie meine Zeit verschwenden, Mr. Fane. Oder ich die Ihre!«
Hastig sagte Chase: »Aber nicht doch, meine Herren! Schockschwerenot, Sam, der Admiral ist mein Gast. Ich dulde es nicht, daß ihr euch anfaucht wie zwei Wildkater!«
Fane milderte seinen Ton. »Dann werden wir einen Kompromiß finden müssen.«
Bolitho setzte sich wieder. »Welchen, zum Beispiel?«
»Wenn San Felipe den Wunsch äußert, sich unter den Schutz der Vereinigten Staaten zu begeben, wird meine Regierung dies wohlwollend aufnehmen.«
»Kommt nicht in Frage.«
»Aber wenn die Franzosen einverstanden sind, Admiral? Wären Sie es dann auch?«
Bolitho blickte zu Chase hinüber, aber der starrte nur einen Walkiefer an.
Für Chase war das nichts Neues, er hatte es längst gewußt – wie alle hier: Es war kein Kompromiß, nicht die Spur davon. Es war Erpressung.
Bolitho zwang sich zur Ruhe. »Der Gouverneur war zu diesem Ersuchen nicht berechtigt, weder bei Ihnen noch anderweitig. Wir sind hier in einer tragischen Entwicklung der Geschichte befangen, können aber nichts daran ändern.«
Fane musterte ihn unbewegt. »Das bleibt abzuwarten.« Schließlich fügte er hinzu:
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