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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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oder nie. Oft genug hatte Keen das in der ›Gazette‹ oder in einem Admiralitätsbericht gelesen: ein Kriegsschiff Seiner Majestät war gestrandet und verlorengegangen, und das Seegericht fällte später seinen Spruch, wonach. Stopp. Er mußte seine Phantasie zügeln. Laut rief er, das Heulen des Windes übertönend: »Alles klar, Mr. Quantock?«
    Der große, hagere Erste kämpfte sich, schräggeneigt gegen den Wind und das krängende Deck, auf den Kommandanten zu.
    »Das hat doch keinen Zweck, Sir!«
    Wütend fuhr Keen zu ihm herum. »Nicht so laut, Mann!«
    Quantock beugte sich vor, um ihm besser ins Gesicht sehen zu können. »Aber der Master ist derselben Meinung. Es wäre Wahnsinn. Das schaffen wir einfach nicht.« Keens Schweigen schien ihn zu ermutigen. »Niemand kann Sie dafür tadeln, daß Sie das Schiff nicht riskieren wollten. Uns bleibt immer noch Zeit zum Aufkreuzen.«
    »Der Anker ist kurzstag, Sir!« Die Meldung fuhr zwischen sie wie ein Axthieb.
    »Zeit? Wofür bleibt uns Zeit – zu feiger Flucht? Verdammt sollen Sie sein!«
    Keen wandte sich ab und schritt zu den Finknetzen, sah einige Matrosen ihn ängstlich beobachten.
    Aber Quantock ließ nicht locker. »Kapitän Glazebrook hätte niemals…« Weiter kam er nicht.
    »Er ist tot!« Keen schrie es fast. »Aber wir leben. Verlangen Sie etwa von mir, daß wir unseren Admiral und die Kameraden da draußen im Stich lassen, bloß weil es gefährlich für uns wird? Ist das der Rat, den Sie mir geben, Mr. Quantock?« Es tat ihm wohl, seinen Zorn und seine Verbitterung herauszuschreien. »Eher schicke ich Sie, den Master und alle anderen zum Teufel, als daß ich den Schwanz einziehe und feige davonrenne!«
    Er schritt zur Querreling und spähte zu der wild schlagenden Leinwand auf. Vielleicht kostete es sie wirklich ein paar Segel oder Spieren, vielleicht auch die Masten. Aber da hinten, jenseits des stampfenden Hecks, wartete Bolitho. Schemenhaft zogen Bilder an Keens innerem Auge vorbei: die Große Südsee, das Mädchen, das er geliebt hatte und das am gleichen Fieber gestorben war, dem auch Bolitho fast erlegen wäre. Trotz seiner eigenen Verzweiflung hatte Bolitho ihm Trost zugesprochen. Und nach allem, was sie gemeinsam durchgemacht hatten, sollte er ihn jetzt im Stich lassen? Nein, tausendmal nein!
    »Geben Sie durch an die Toppgasten, Mr. Fraser: Es wird ein haariges Manöver. Holen Sie alle Mann aus dem Batteriedeck und stellen Sie jede Hand an Brassen, Halsen und Schoten.« Er versuchte, sich an den Namen des Offiziers zu erinnern, der neben ihm stand. »Mr. Foord, machen Sie für den äußersten Notfall den Backbordanker klar zum Fallen.« Damit konnten sie das Schiff vielleicht lange genug abbremsen, daß wenigstens ein Teil der Besatzung sicher an Land gelangte.
    Dann hörte er sich ruhig fragen: »Also, Mr. Quantock?« Quantock starrte ihn durch die Gischtfetzen böse an.
    »Aye, aye, Sir.«
    Damit griff er nach seinem Sprachrohr und stapfte davon.
    Keen packte den glatten Handlauf. Wie viele Kommandanten vor ihm hatten hier schon so gestanden? In Sturm oder Flaute, vor einem Hafen oder einem Gefecht, und hatten versucht, sich ihre Ängste nicht anmerken zu lassen?
    Würde er der letzte sein? Er horchte auf das Klicken des Ankerspills, den Knall der Peitsche, mit der ein Bootsmannsgehilfe einen Saumseligen zu größerer Anstrengung trieb. Von ihrer Kraft und Entschlossenheit hing es ab, ob das schwere Schiff gegen Wind und See bestehen konnte.
    Ein letztes Mal blickte er zu den Rahen auf, wo die Toppgasten in den Fußpferden standen, jederzeit bereit, die knatternden Segel herabrauschen und sich entfalten zu lassen.
    Weit und breit kein Licht. Und keine Spur mehr von der brennenden Schwimmsperre. Vielleicht war Allday nicht durchgekommen. Aber wenn dem so war, dann lebte er jetzt bestimmt nicht mehr. Noch ein Bild sah Keen vor sich: er selbst, damals ein kleiner Seekadett, schreiend und keuchend vor Schmerzen, mit einem messerscharfen Holzsplitter im Leib, der ihn wie ein Speer durchbohrte. Und Allday, der ihn überraschend sanft unter Deck trug und den Splitter selbst aus dem Fleisch schnitt, weil der Schiffsarzt zu betrunken war, um verläßlich seine Arbeit zu tun.
    »Anker ist frei!« Nur halb drang der Ruf zum Achterschiff, aber schon legte sich
Achates
so scharf über, daß die See wie Brandung über Seitendeck und Schanzkleid brach.
    »Setzt die Bramsegel!«
    Die Rudergänger rutschten aus und fielen auf die Planken, umklammerten aber

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