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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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einem höllischen Tempo durchs Wasser zu preschen. »Lotgasten in die Ketten!« befahl Keen. Täuschte er sich, oder hatte im rauhen Ruf des Masters mehr gelegen als Überraschung und Erleichterung? Vielleicht auch ein respektvolles Staunen?
    Keen stieß sich ab und ging zur anderen Seite hinüber, um die weiß schäumende Brandung im Auge zu behalten. Die Brecher schienen nicht weiter als eine Bootshakenlänge vom Rumpf entfernt.
    Er hörte den ersten Lotgasten aussingen, aber seine Tiefenangabe verstand er nicht.
    Dicht neben dem Rumpf konnte er plötzlich festes Land ausmachen, in Gischt gehüllt, und spürte das Deck unter seinen Füßen erbeben, als der Kiel mit knapper Not über eine gefährliche Sandbarre rutschte.
    Knocker gab neue Ruderkommandos, seine Stimme hallte plötzlich laut von der Landzunge wider, auf deren Höhe die Pontons den Hafen gesperrt hatten.
    Sie hörten Gefechtslärm: Gewehrfeuer und dazwischen vereinzelt das Krachen von Kanonen. Aber das klang alles so fern und unwirklich, als hätte es nichts mit dem anstürmenden Zweidecker und seiner Besatzung zu tun.
    Warnschreie vom Vorschiff – und dann hielt Keen scharf den Atem an, als ein heftiger Ruck durch das Schiff ging. Dunkel und verschwommen sah er ein kleineres Fahrzeug am Rumpf der
Achates
entlang gleiten und achteraus verschwinden: ein Boot, das sie von seiner Boje gerissen hatten und das nun langsam kenterte.
    Immer noch brannte das Richtfeuer lichterloh, und jetzt konnte Keen seinen Widerschein auf einem helleren Fleck erkennen, der dichtbei lag: Alldays Barkasse. Er riß einem Midshipman das Teleskop aus der Hand und richtete es nach Backbord voraus.
    Im Schein ihres Feuers standen die Bootsgasten in der Barkasse und schwenkten jubelnd die geteerten Hüte, als das Schiff sich näherte.
Achates
mußte einen gespenstischen Anblick bieten, dachte Keen: oben feurig leuchtende Segel und darunter ein Rumpf, der mit dem dunklen Wasser verschmolz.
    »Klar zum Segelkürzen, Mr. Quantock!«
    Keen stellte fest, daß er am ganzen Leib zitterte wie ein Mann der soeben dem Tod entronnen war.
    Dann erkannte er zum erstenmal die Lichter der Stadt, sie schimmerten durch die Gischt wie winzige Juwelen.
Achates
war fast am Ziel, das Unmögliche geschafft.
    Im Dunkeln krachte wieder eine Kanone, aber Keen scherte sich nicht um den Einschlag der Kugel.
    »Klar zum Anluven, Mr. Quantock!«
    Noch war die Gefahr nicht vorbei. Falls
Achates
nicht rechtzeitig ankerte, mußte sie an den Strand treiben oder sich wie eine Schildkröte im Netz zwischen den verankerten Fahrzeugen verfangen.
    Vielleicht schnappte jetzt die selbstgestellte Falle hinter ihnen zu?
    Keen entdeckte plötzlich, daß er diese Möglichkeit bar jeder Emotion einkalkulieren konnte. Darauf kam es jetzt nicht mehr an. Denn wenn
Achates
den Hafen nicht mehr verlassen konnte, war das auch allen anderen Fahrzeugen unmöglich. Im Geist sah er Bolithos ernstes Gesicht wieder vor sich und hoffte, daß er beobachtet hatte, wie sein Flaggschiff, ein dunkles Phantom, mitten in den Hafen gestürmt war.
    Wenn allein Willensstärke diesen Kampf entschied, dann stand der Sieger jetzt schon fest.
    »Bemannt die Leebrassen!« Quantock warf seinem Kommandanten einen Blick zu. »Ich habe beide Anker klar zum Fallen, Sir, und einen Leutnant an den Kettenkneifer gestellt. Wenn die Trosse bei diesem Sturm bricht…« Er ließ den Satz unvollendet.
    Keen musterte ihn gelassen. »Bitte, machen Sie weiter.«
    Er konnte an Quantock keine Veränderung feststellen, dachte er mit einer gewissen Genugtuung. Warum sollte sich der Mann auch wegen einer gewissenlosen Tollkühnheit verändern? Denn genau das hatte er eben begangen, wenn er es recht bedachte.
    »Gei auf Bramsegel!«
    Keen wandte den Blick nach oben, wo plötzlich hektische Bewegung entstand. Die Toppsgasten hatten eine Meisterleistung vollbracht, dachte er, sie hatten ihr Leben, ihr Schiff und ihren Stolz bewahrt, wie nur Seeleute das konnten.
    »Leeruder!«
    Wieder legte sich das Deck scharf über, und Alldays Barkasse zog am herumschwingenden Bugspriet vorbei, als suche sie ihr Heil in hastiger Flucht. Aber Sturm und See hatten für den Augenblick an Gewalt verloren. Ihre Revanche würde noch kommen, später.
    »Laß fallen Anker!«
    Keen hörte das Platschen und spürte ein leichtes Erzittern der Planken, als der zweite Anker, der an seinem Kranbalken klar zum Fallen hing, gegen den Rumpf schlug.
    Blöcke quietschten, als die unsichtbaren Toppsgasten

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