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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Wieder stieg Verbitterung in ihm auf. Wen würde ihr Tod schon kümmern? Überall waren Hunderte, Tausende von Seeleuten und Soldaten gefallen, für die verschiedensten Zwecke, und wer erinnerte sich noch an sie oder an den Grund ihres Sterbens?
    Er formte einen Schalltrichter mit beiden Händen. »Ich will mit Sir Humphrey Rivers sprechen!«
    Die Antwort war ein höhnisches Auflachen. »Sie meinen wohl kapitulieren, Sir!«
    Bolitho ballte die Fäuste. Also hatte er richtig vermutet, Rivers hielt sich da oben auf. Sonst hätten die unbekannten Gegner mit einer spöttischen Abfuhr reagiert, ihn für seinen Irrtum verhöhnt.
    Allday murmelte: »Ich zeig’s dem Schweinehund, von wegen kapitulieren!«
    Eine andere Stimme rief: »Ach, Sie sind das, Bolitho! Ich dachte schon, wir hätten ein paar Bettler vorm Tor!«
    Bolitho merkte, daß er sich entspannen konnte, jetzt, da Rivers ihm wirklich gegenüberstand.
    »Bitte, sagen Sie doch – was kann ich für Sie tun, bevor ich Sie und Ihre Rabauken gefangennehme?«
    Bolitho fühlte sein Herz gegen die Rippen schlagen, als sei es der einzige Teil seines Körpers, der noch spontan reagieren konnte. War es nicht schon viel heller geworden? Ohne das Sturmgewölk der vergangenen Nacht hätte bereits heller Tag geherrscht.
    Irgendwo hinter der Mauer hörte er den Ruf: »Feuerbereit, Sir!«
    Aber Rivers wollte die Situation ausgiebig genießen. »Einen Moment noch, Tate. Ich möchte hören, worum unser stolzer Admiral mich bittet.«
    Bolitho flüsterte seinen Begleitern zu: »Sie können nicht feuern, so lange Rivers da oben ist. Er steht genau zwischen der Kanone und dem Schiff.« Laut rief er: »Ich fordere Sie auf, das Feuer einzustellen und Ihre Miliz zurückzubeordern. Sie haben keine Chance, uns zu besiegen. Und Ihre Leute müssen sich klar darüber sein, welch hohen Preis sie für den Angriff auf ein englisches Kriegsschiff zahlen werden.«
    Dabei stellte er sich vor, wie seine Worte hinter den Festungsmauern von Mund zu Mund gingen. Trotzdem, Rivers’ Leute waren überwiegend Einheimische, wahrscheinlich nicht viel besser als Piraten, obwohl die während des Krieges erfundene, zartfühlende Umschreibung ›Freibeuter‹ diese Profession inzwischen fast legalisiert hatte.
    Wütend schrie Rivers zurück: »Zur Hölle mit Ihnen, Bolitho! Ich habe Ihnen eine Chance gegeben, aber jetzt werden Sie für Ihre verdammte Arroganz büßen!«
    Bolitho blinzelte geblendet, als die ersten Sonnenstrahlen ihm zwischen den Zinnen des Burgfrieds hindurch in die Augen stachen und den Hang über der Festung in goldenes Licht tauchten. Aufgeregte Rufe erklangen hinter den Mauern, als auch der verankerte Zweidekker unten klar sichtbar wurde.
    Rivers’ Stimme wurde noch um einige Töne schriller: »Da liegt das Ziel, Jungs! Daß mir jede Kugel trifft! Dieser Kommandant ist ein noch größerer Narr als sein Admiral.«
    Langsam wandte Bolitho sich um und sah über die Reede hinweg zu den weißen Häusern von Georgetown und den dicht gedrängt ankernden Fahrzeugen hinüber. Und er vergaß das Hohngeschrei aus dem Fort, als er erkannte, was Keen mit seiner kleinen Besatzung im Schutz der Dunkelheit bewerkstelligt hatte: Eine lange Trosse verlief vom Heck der
Achates
zu einer Festmacherboje und hielt das Schiff regungslos, und zwar so, daß es seine Breitseite voll der Festung zuwandte. Damit hatte Keen eine Batterie, die nach beiden Seiten feuern konnte, zum einen auf die Stadt und die Reede, zum anderen auf die Festung und die Hafeneinfahrt. Kein Wunder, daß Rivers ihre Pläne nicht durchschaut hatte.
    Rivers rief: »Meine Kavallerie rückt schon aus, um Sie fertigzumachen, Bolitho! Ihr schändliches Ende wird alle künftigen Angriffe auf
meine
Insel abschrecken, das garantiere ich Ihnen!«
    Nun konnte Bolitho auch seine Gestalt vor dem hellen Himmel sehen und den Haß fühlen, der von diesem Mann ausging. Träge stieg Rauch über die Mauerkrone und verriet, daß dahinter Kugeln erhitzt wurden, die
Achates
vernichten sollten. Jetzt wurde die Zeit knapp.
    Er rief hinauf: »Ich gehe zu meinen Leuten zurück, Sir Humphrey…« An seinem Hals zuckte ein Nerv, als er plötzlich ein entferntes, aber wohlvertrautes Rumpeln hörte. Diesmal wandte er sich nicht um, wagte es auch nicht, Rivers aus den Augen zu lassen, als das dumpfe Poltern wie abgehackt verstummte.
    Rivers hatte es ebenfalls gehört. »Wozu soll das gut sein?« rief er.
    »Keine Ihrer Kanonen kann diesen Mauern auch nur einen Kratzer

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