Der Brander
gefallen – wofür, wußten die wenigsten –, und den Sieg hatten sie sich verlockender vorgestellt. Jetzt zur Mittagszeit mischte sich der Geruch des erhitzten Teers mit dem würzigeren Duft der täglichen Rumration, die in den Messen ausgegeben wurde. Das Hämmern der Schiffszimmerleute verstummte; sie hatten den von der Festungskanone angerichteten Schaden schon fast behoben. Immerhin hatte ein Seemann durch Splitter ein Auge verloren.
Es klopfte, Keen trat ein, den Hut unter dem Arm. Auf Bolitho machte er jetzt einen entspannteren Eindruck, obwohl er ein gewaltiges Arbeitspensum bewältigen mußte; der Schiffsarzt und der Erste, der Master und der Zahlmeister, sie alle gingen den Kommandanten um die letzte Entscheidung an, und sei es nur, um die Verantwortung von sich abzuwälzen.
»Sie wollten mich sprechen, Sir?«
»Nehmen Sie Platz, Val.« Wohl zum hundertstenmal lockerte Bolitho seinen Hemdkragen. »Wie geht die Arbeit voran?«
»Ich halte die Leute beschäftigt, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Aber
Achates
ist seeklar. Besser als neu, würde ich sagen.«
Bolitho nickte, ihm war nicht entgangen, wie stolz Keen neuerdings auf sein Schiff zu sein schien. Vielleicht hatte er endlich den Schatten seines Vorgängers abgeschüttelt. Bolitho hatte auch von Keens Streit mit Quantock kurz vor der Erstürmung des Hafens gehört. Kaum zu glauben, was sie da für ein Wagnis eingegangen waren. Aber die britische Flagge wehte wieder über dem Fort, und dem äußeren Anschein nach hatte die Insel zum Alltag zurückgefunden.
Bald mußte er eine Depesche an den französischen Admiral absenden, dessen Schiffe in Boston warteten.
Falls
sie dort noch warteten… Dann würde es um den Frieden der Insel geschehen sein und das Elend von neuem beginnen.
Mit einem Blick in Bolithos ernstes Gesicht sagte Keen: »Der Admiral auf Antigua würde uns Unterstützung nicht verweigern, Sir.«
Als er Bolithos Wangenmuskeln spielen sah, fügte er hinzu: »Doch daran haben Sie bestimmt schon gedacht.«
»Die Aufgabe hier wurde
mir
anvertraut, Val. Ich kann nicht über meinen Schatten springen.« Mit einer Handbewegung unterband er Keens Protest. »Ich brauche gute Augen und Ohren draußen auf See, nicht einen Flaggoffizier, der mir Vorschriften macht. Wenn wir
Sparrowhawk
nicht verloren hätten.…«
Sie tauschten einen Blick; daß Duncan nicht mehr lebte, war immer noch unfaßbar.
Nachdenklich sagte Keen: »Wenn wir Anker lichten und uns auf die Suche nach diesem verdammten Schiff machen, können die Dinge hier außer Kontrolle geraten. Das Fort wäre leicht auszuhungern. Ich glaube, wir sollten ein Standgericht zusammentreten lassen und Sir Humphrey an der Großrahnock hängen, wie er es verdient.« Sein Ton war ungewöhnlich haßerfüllt. »Solange er lebt, ist er eine Bedrohung für uns.«
Sie fuhren beide zu den Fenstern herum, als draußen ein Musketenschuß krachte.
»Vom Wachboot. Da muß etwas passiert sein.«
Keen griff nach seinem Hut und sprang auf. »Ich sehe nach, Sir.«
Bolitho nahm ein Teleskop aus seiner Halterung und wartete, bis
Achates
an ihrer Ankertrosse zurückschwojte. Die Festung glitt in sein Blickfeld, die Mauerkronen von Hitzedunst verhüllt, so daß die Flagge an den Himmel selbst gepinnt schien. Bolithos Blick wanderte weiter zum Vorland und zu dem vorgelagerten Inselchen mit seiner spanischen Missionsstation. Dann sah er hinter der Landzunge ein einzelnes braunes Segel auftauchen und schließlich zum letzten Schlag wenden, der es direkt in den Hafen führen würde.
Achates’
Kutter dümpelte abwartend, mit hochgestellten Riemen, auf der leichten Dünung.
Der Neuankömmling war eine kleine Brigantine, wahrscheinlich ein Händler von den Inseln. Auf ihren Skipper wartete eine Überraschung, sobald er erst den Hafen einsehen und
Achates’
mächtigen Rumpf erkennen konnte.
Mit schweißnassem Gesicht kehrte Keen zurück.
»Unser Wachboot wird die Brigantine zu einer Boje eskortieren.« Als Bolitho sich zu ihm umwandte, fuhr er fort: »Wie es aussieht, ist sie beschossen worden. Ich lasse gleich unseren Arzt hinüberrudern.«
»Beschossen?«
Keen hob die Schultern. »So sieht es aus.«
»Na gut. Aber signalisieren Sie allen anderen Fahrzeugen, sich von ihr freizuhalten. Ich habe ein ungutes Gefühl.«
Wieder richtete Bolitho das Glas auf die Brigantine, die jetzt die killenden Vorsegel wegnahm und geschickt an eine Festmacherboje heranschor.
Langsam und sorgfältig musterte er
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