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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Verstand die spärlichen Nachrichten zu verarbeiten suchte. Die erste Aufregung über die Vernichtung der Schwimmsperre und ihren Durchbruch in den Hafen mußte sich inzwischen gelegt haben, Rivers sein Selbstvertrauen allmählich zurückgewinnen.
    Bolitho erhob sich steif und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht. Was für eine verfahrene Situation! In England würde man mit Recht die Notwendigkeit bezweifeln, daß hier Menschenleben geopfert wurden, um den Franzosen einen Vorteil zu verschaffen. Mit einem lautlosen Fluch verdrängte er diesen Gedanken; nur seine Hoffnung auf eine glückliche Zukunft mit Belinda flüsterte ihm solche Skrupel ein. Kein Wunder, daß ihn die jungen Offiziere wie Mountsteven oder Scott mit heimlichem Befremden musterten. Auch er hatte in ihrem Alter niemals an die privaten Sorgen seiner Vorgesetzten gedacht, an ihre Rücksichtnahme auf die eigene Familie, die sie vielleicht zögern ließ, wenn es ans Kämpfen ging.
    Aber dann schüttelte er diese Stimmung ab. Ein Leben ohne Belinda schien ihm unerträglich. Aber ein Leben ohne Ehre konnte er ebensowenig ertragen.
    Vom Ufer klang ein erschreckter Anruf herauf und dann Alldays gedämpfte, aber wütende Stimme: »Ich bin’s doch, du blindes Huhn! Sei leise, oder ich brech’ dir das Genick!« Er rutschte in den Graben hinunter und schielte unsicher zu den drei Offizieren herüber.
    Bolitho lächelte. »Ihr habt heute nacht ein Wunder vollbracht. Das war gute Arbeit!«
    Erst jetzt schien Allday zu begreifen, daß die eine der drei abgerissenen Figuren Bolitho war; weiß schimmerten seine Zähne im Halbdunkel, als er breit zu grinsen begann.
    »Danke, Sir.«
    Scott sagte: »Mir kam’s so vor, als seid ihr auf ein Patrouillenboot gestoßen, Allday.«
    Allday betrachtete ihn, schien zu überlegen, ob ein bloßer Leutnant seiner Aufmerksamkeit würdig war, aber dann antwortete er doch.
    »Stimmt, Sir.« Er fuhr mit der Hand quer über seine Kehle. »War aber kein Problem.«
    Das ohrenbetäubende Krachen eines einzelnen Kanonenschusses ließ einige der Umstehenden erschreckt zusammenfahren. Kreischend und krächzend flatterten Vögel scharenweise vom Wasser und aus den Uferbüschen auf. Aller Augen folgten den Rauchschwaden, die vom Festungswall aufstiegen, gefolgt vom dumpfen Einschlag eines Volltreffers.
    Bolitho rückte seinen Säbelgurt zurecht und sagte knapp: »Sie nehmen
Achates
unter Beschuß.«
    Wie zur Antwort drang Lärm aus der Stadt: zunächst nur Gewehrfeuer, dann lautes Hufgetrappel auf einer gepflasterten Straße.
    Also wollte Rivers’ Miliz sie angreifen, ehe sie ihre Stellungen auf der Insel befestigen konnten, und eine schnell herbeigeschaffte Kanone sollte das verankerte Schiff in den Boden bohren.
    »Kapitän Keen wird sich beeilen müssen«, stellte Bolitho fest. »Und wir sollten ihm etwas Zeit verschaffen.«
    Schon nahm ihre nähere Umgebung und die Gruppe zusammengedrängter Seeleute im Morgengrauen deutlichere Umrisse an. Ruhig fragte Mountsteven: »Was haben Sie vor, Sir?«
    »Zu verhandeln.« Und die erstaunte Reaktion des anderen scharf unterbindend, setzte er hinzu: »Ich brauche zwei Freiwillige – sofort.«
    Wieder feuerte die Kanone, und Bolitho zwang sich, nicht zusammenzuzucken. Diesmal war kein Einschlag zu hören, aber bald mußte der Richtschütze sein Ziel im zunehmenden Licht gut erkennen können.
    Brummig korrigierte Allday: »Nur
einen
Freiwilligen, Sir. Ich komme mit.«
    Bolitho verließ die Deckung und wandte sich dem Weg zu, der in vielen Windungen zur Festung hinaufführte. Plante er wirklich nur einen Bluff? Jedenfalls hatte er Rivers nichts anderes zu bieten.
    Mit einem schnaufenden Allday an seiner Seite und Christy, dem Bootsmannsmaatgehilfen, hinter sich, schritt Bolitho auf dem holprigen Weg rasch aus. Christy trug einen Bootshaken mit einem weißen Hemd als Parlamentärsflagge daran und pfiff leise vor sich hin. Beim Abschied hatte er noch darüber gewitzelt, daß das Hemd von einem der beiden Kadetten stammte, die ihrem Landungstrupp angehörten: »Der einzige junge Herr, der für unseren Zweck sauber genug ist.«
    Bolitho wunderte sich, daß die Männer immer noch zum Grinsen aufgelegt waren.
    »Halt! Keinen Schritt weiter!«
    Bolitho blieb still stehen und blickte zu den Festungsmauern auf, die sich drohend über ihnen erhoben. Er glaubte, ein metallisches Klicken zu hören, und konnte sich gut vorstellen, wie ein Scharfschütze ihn ins Visier nahm, weiße Fahne oder nicht.

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