Der Brander
Wahl. Er konnte nicht mehr halsen und sich davonmachen, denn das Land, das ihm bisher Zuflucht geboten hatte, war jetzt zu einer tödlichen Gefahr geworden und drohte ihm mit den steinernen Fängen des Riffs, auf dem sich tobend die Brandung brach. Und wenn er es mit einer Wende versuchte, mußte er sich mit backstehenden Segeln festfahren und genau die entscheidenden Sekunden verlieren, die Keen brauchte, um ihn vom Bug bis zum Heck mit seinen Breitseiten zu beharken.
Ein splitterndes Krachen hoch über ihnen, und dann warnende Rufe: »In Deckung da unten!« Teile der Fußrah des Besansegels durchschlugen die Schütznetze, knallten an Deck und zogen ein Gewirr gebrochener Leinen und Taljen hinter sich her.
Bolitho spürte an der Schulter einen Schlag wie von einer eisernen Faust, und dann lag er mit dem Gesicht auf den Planken. Seine erste Reaktion kam einer Panik sehr nahe: wieder verwundet, und diesmal bestimmt schwer! Aber dann hörte er sich fluchen, vor allem über den Rauch, der ihm im entscheidenden Moment die Sicht geraubt hatte.
Er merkte, daß Adam mit starrem Blick seinen Arm gepackt hielt, während Allday irgend etwas Schweres von seinem Rücken wegzog und ihm zunächst auf die Knie, dann auf die Füße half. Ein riesiger Block, den der Schuß durch die Besantakelage losgerissen hatte, schwang wie ein Knüppel an seinen Parten vom Netz und hatte ihn umgerissen. Er hatte nicht mal einen Kratzer davongetragen. Mit leicht verzerrtem Grinsen dankte er, als jemand ihm seinen Hut zurückreichte und ein anderer jubelte: »Zeigen Sie’s den Hunden, Sir!«
Bolitho wandte sich dem Feind zu, obwohl ihm der Rauch in den Augen brannte und ein dumpfer Schmerz in seiner Schulter pochte. Hätte der Block ihn am Kopf getroffen, wäre er jetzt tot gewesen.
Musketenkugeln durchlöcherten die zusammengerollten Hängematten, Holzsplitter wurden aus den Planken gerissen oder ragten wie spitze Federkiele aus dem Deck.
Doch schon blinkten Äxte im rauchgetrübten Sonnenlicht, die Trümmer aus der Besantakelage wurden freigehackt und mit Handspaken über das Schanzkleid gehievt.
Jetzt trug das erbarmungslose Exerzieren an Segeln und Kanonen Früchte. Wo ein Mann fiel oder beiseitegezerrt wurde, damit er nicht im Weg war, bis die Gehilfen des Schiffsarztes kamen, da stand sofort ein anderer an seinem Platz, herbeigesprungen von den Kanonen auf der gegenüberliegenden Decksseite.
Die Musketen der Marinesoldaten griffen jetzt in den Kampf ein. Sergeant Saxton schrie laut den Takt und stampfte dazu mit dem Stiefel auf, während die Ladestöcke sich alle zugleich hoben und senkten. Sobald die Läufe sich dann durch die Netze schoben, schrie er: »Ziel auffassen! Jeder Schuß ein Treffer!« Geknatter hoch über ihren Köpfen zeigte an, daß auch in den Masten Marinesoldaten feuerten; diese Scharfschützen zielten vor allem auf die Offiziere des Gegners.
Bolitho schritt auf und ab und stolperte dabei über einen gezackten Splitter, wodurch die Kugel eines feindlichen Scharfschützen ihn knapp verfehlte.
Die beiden Schiffe glitten immer näher zusammen. Die Kanonen feuerten jetzt auf Kernschußweite, bedient von halb blinden und tauben Mannschaften, die mit Händen und Füßen kämpfen mußten, um ihre schweren Waffen unter Kontrolle zu bringen.
»Feuer einstellen!«
Quantock mußte den Befehl wiederholen, ehe auch die letzte Kanone auf dem unteren Deck verstummte. Als der Feind es ihnen nachtat, entstand eine dumpfe Stille, in der andere Geräusche erst allmählich wieder wahrgenommen wurden: die Schmerzensschreie Verwundeter, Hilferufe, Befehle.
»Hartruder!«
Sobald das Rad herumwirbelte, fegte
Achates’
Bugspriet wie eine Axt durch die vorderen Wanten des gegnerischen Schiffes. Mit einem fürchterlichen Knirschen stießen die beiden Rümpfe zusammen.
Bolithos Männer rannten nach vorn, griffen jetzt zu Äxten, Entermessern und Piken, ließen Kanonen Kanonen sein und rüsteten sich zum Kampf Mann gegen Mann.
Leutnant Hallowes, dem der Hut halb vom Kopf geschlagen worden war, brüllte mit geschwungenem Säbel: »Auf sie, Leute!«
Jubelnd wie die Besessenen rannten die Männer nach vorn zu der Stelle, wo sich die Schiffsrümpfe berührten, um sich mit Hauen und Stechen einen Weg nach drüben zu erkämpfen, über das schmale Dreieck glitzernden Wassers hinweg.
Einige wurden von den Piken der Verteidiger aufgespießt, als sie sich schon an die Enternetze klammerten, andere fällten die Scharfschützen, noch ehe sie
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