Der Brander
lag.
Napier erbleichte plötzlich. »Ich – ich muß um Vergebung bitten, Sir. Beinahe hätte ich’s vergessen. Aber ein Postschiff aus England war da.«
Bolitho starrte ihn an. »Fahren Sie fort«, sagte er scharf.
Napier suchte in seinen Rocktaschen und holte schließlich einen Brief hervor. »Für Sie, Sir.« Unter Bolithos Blicken schien er zu schrumpfen.
Keen sagte knapp: »Kommen Sie mit nach oben, Kapitänleutnant Napier, ich muß über die Reparaturen an meinem Schiff mit Ihnen sprechen…« Doch in der Tür blieb er noch einmal stehen und warf einen Blick auf Bolitho zurück. Dieser hielt seinen Brief in beiden Händen und scheute sich offenbar, ihn zu öffnen.
Als Keen sich abwandte, stieß er fast mit dem Flaggleutnant zusammen. »Warten Sie noch, Adam«, sagte er. »Ein Brief ist gekommen.«
Im halbdunklen Batteriedeck lehnte Allday an einem verschrammten Achtzehnpfünder und spähte durch die offene Stückpforte nach der grünen Landzunge aus, die querab vorbeiglitt. Dort standen Leute, um das besudelte und verkrüppelte Schiff vorbeisegeln zu sehen; aber keiner winkte.
Für Allday war es ein Landfall wie andere auch. Er war schon in so vielen Häfen eingelaufen, daß sich ihr Bild in seiner Erinnerung verwischte. Seufzend gestand er sich ein, daß im Augenblick nur der Brief aus England zählte. Als wäre es gestern gewesen, stand ihm vor Augen, wie er sich mit Bolitho in die verunglückte Kutsche gezwängt und darin eine bildschöne Frau gefunden hatte, die dem Tode näher schien als dem Leben. Sie sah Bolithos verstorbener erster Frau so ähnlich, daß er seinen Augen nicht traute.
Mit schiefgelegtem Kopf lauschte er nun dem Salut, den die Festungsbatterie für sie schoß. Der richtige Willkommensgruß, dachte er, obwohl sie zu viele Kameraden an Bord hatten, die keinen einzigen Schuß mehr hören würden.
Er richtete sich auf, als die Tür klappte und der Wachtposten Haltung annahm.
Bolitho zog den Kopf unter den niedrigen Decksbalken ein und gewahrte dann die wartende Gestalt.
Als er die besorgte Spannung in Alldays Gesicht sah, spürte er seine letzten Kraftreserven schwinden. Die Selbstbeherrschung, zu der er sich während der Lektüre des Briefes gezwungen hatte, die Verzweiflung, die seinen Blick getrübt hatte, all das zehrte jetzt an ihm.
Er hielt inne und lauschte dem Salut, der von
Achates’
Kanonen erwidert wurde. Dann griff er zu und drückte Alldays Hand.
Heiser fragte sein Bootsführer: »Steht es gut, Sir?«
Noch einmal drückte Bolitho Alldays Hand. Es fügte sich ganz richtig, daß er in diesem Augenblick bei ihm war und somit als erster davon erfuhr.
»Wir haben eine gesunde Tochter, Allday.«
Keiner von beiden wußte, wie lange sie so dastanden.
Achates
setzte zum letzten Kreuzschlag um die Landspitze an, auf dem Achterdeck intonierten die Pfeifer und Trommler einen munteren Marsch, aber Bolitho war im Geist ganz woanders.
Dann nickte Allday bedächtig; er kostete den Augenblick aus, von dem er wußte, daß er ihm noch oft Gesprächsstoff liefern würde, wenn er einst zum letztenmal den Fuß an Land gesetzt hatte.
»Und Mrs. Bolitho, Sir…«
»Geht es sehr gut.« Bolitho schritt ins Sonnenlicht hinaus. »Sie läßt dich grüßen.« Mit kraftvollen Schritten strebte er dem Achterdeck zu. Jetzt konnte er es mit allen aufnehmen. Konnte alles schaffen. Er sah sich nach Alldays breit grinsendem Gesicht um. »Außerdem hofft sie, daß uns der Dienst in dieser Friedenszeit nicht zu langweilig wird.«
Allday hob den Blick zur zerschmetterten Besanrah, zu den Blutspuren und frischen Einschlägen, die das Schiff entstellten.
Und dann warf er – ungeachtet des feierlichen Augenblicks, des Saluts und des Flaggengrußes, den die Festung dem einlaufenden Kriegsschiff entbot – den Kopf in den Nacken und lachte lauthals.
Keen starrte erst ihn und dann Bolitho an.
Dem Sieger war also endlich sein Lohn zuteil geworden.
In Kapitän Valentin Keens Augen stand unverhohlene Überraschung und Bewunderung, als er seinen Vorgesetzten anblickte. Seit
Achates
nach San Felipe zurückgekehrt war, hatte es bei den Reparaturarbeiten, beim Ersetzen zerschossener Planken und Spieren keine Pause gegeben. Dabei war die Werft von Georgetown jämmerlich ausgerüstet, und außerdem erschwerten Feindseligkeit und mangelnde Kooperationsbereitschaft jeden Handgriff.
English Harbour auf Antigua wäre der einzige geeignete Platz für eine so gründliche Überholung gewesen, aber Keen hatte
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