Der Brandstifter
Court und wartete mit Kopfschmerzen und einem Styroporbecher wässrigen Tees auf Louises erstes Erscheinen vor Gericht. Thaddeus Sexton war bemüht, sie bis Prozessbeginn von der Haft zu verschonen, und genauso interessiert waren wir daran, dass sie nicht gegen Kaution freigelassen wurde– womit gewissermaßen die Schlacht eröffnet war. Ich hätte gern gewusst, wie sie die Untersuchungshaft verkraftete. Im Vergleich zu dem Zellentrakt im Amtsgericht war die Polizeiwache, in der sie die Nacht verbracht hatte, geradezu ein Luxushotel. Da unten ging es laut zu, chaotisch und bestimmt vollkommen anders, als Louise es gewohnt war.
Im Stockwerk darüber sah es auch nicht viel besser aus. Ich kippte meinen Tee weg und begab mich in den angegebenen Gerichtssaal, um auf Louises Erscheinen zu warten. Der Saal war überheizt und überfüllt. Der Staatsanwalt hatte einen gewaltigen Stapel Akten vor sich liegen, was darauf schließen ließ, dass es an diesem Morgen reichlich zu tun gab.
Ich drückte die Daumen, dass Louise zu den Ersten gehörte, die aufgerufen wurden, denn ich hatte keine Lust, das alltägliche Programm des Amtsgerichts, die übliche Parade von Trunkenheit und Erregung öffentlichen Ärgernisses, Drogenbesitz oder einfacher Körperverletzung über mich ergehen zu lassen.
Ziemlich weit vorn erspähte ich Sexton, der ungefähr so gut gelaunt wirkte, als wäre er gerade in einen Hundehaufen getreten. Das Amtsgericht war so tief unterhalb seiner Würde, dass ich mich wunderte, dass er sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, persönlich auf der Bildfläche zu erscheinen. Andererseits versprach Louise eben eine Mandantin von hohem Aufmerksamkeitswert zu werden. Vielleicht würde sich seine Anwesenheit ja irgendwann für ihn auszahlen.
Die zuständige Amtsrichterin war eine Frau, die keine Zeit mit Make-up verschwendete und beindruckend rationell arbeitete. Die ersten Fälle auf ihrer Liste spulte sie ab wie am Schnürchen, sodass der aufrufende Justizbeamte überhaupt nicht zur Ruhe kam. Ständig eilte er zwischen Wartebereich und Gerichtssaal hin und her. Schließlich war es so weit, als er wieder im Gerichtssaal erschien und schwermütig verkündete: » Nummer 17 auf Ihrer Liste, Louise North, vertreten durch Mr. Sexton.«
Es gehört wohl zur typischen Gerichtsatmosphäre, dass man weithin hört, wie sich die schweren Sicherheitstüren zwischen Zellentrakt und Anklagebank unter metallischem Quietschen und dem Klirren schwerer Schlüssel öffnen. Außerdem verschärft es die Spannung, wenn das Geräusch sich drehender Schlüssel und zuschlagender Türen immer näher rückt. Ich rutschte nervös auf meinem Platz herum und sah mich um, ob noch jemand da war, den ich kannte. Ganz hinten im Saal erspähte ich ein bekanntes Gesicht: Gil Maddick. Er wirkte abgespannt, als hätte er nicht geschlafen, und seine Augen waren starr auf die Tür hinter der Anklagebank gerichtet. Ich wandte meinen Blick in dieselbe Richtung– gerade noch rechtzeitig, um nicht zu verpassen, wie sie sich öffnete und Louise hereinkam, flankiert von zwei Haftbeamten. Sie trug eine weiße Bluse und einen schwarzen Rock, und ihre Miene war undurchdringlich.
Ihre Rolle bei diesem Vorgang war darauf beschränkt, ihren Namen, Geburtsdatum und Anschrift zu nennen, was sie mit leiser, aber deutlicher Stimme tat. Schuldbekenntnis beziehungsweise Unschuldserklärung waren erst abzugeben, wenn der Fall vor dem Old Bailey, dem zentralen Gerichtshof, verhandelt wurde. Der Justizangestellte kam bei der Anklage ein wenig ins Stottern, und die Richterin senkte beim Zuhören den Kopf. Als er fertig war, nickte sie. Normalerweise war das übliche Prozedere nun, dass der Fall dem Old Bailey überstellt wurde, wo die Anhörung zu Schuldbekenntnis und Prozessführung, kurz PCMH , stattfinden würde. Und genauso legte sie es fest.
» Die PCMH findet dann in sechs Wochen statt.«
Das war das Signal für Thaddeus Sexton. » Wir möchten hiermit Entlassung aus der Untersuchungshaft gegen Kaution beantragen.«
Die Richterin wandte sich an den Staatsanwalt, welcher eine kurze, um nicht zu sagen flüchtige Zusammenfassung der Position der Staatsanwaltschaft gab. Dabei sprach er so schnell und heiser, dass er stellenweise kaum zu verstehen war. » Die Staatsanwaltschaft lehnt die Gewährung einer Freilassung gegen Kaution ab, da die Gefahr besteht, dass Miss North angesichts der Schwere der Vorwürfe und der bei einer Verurteilung zu erwartenden lebenslänglichen
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