Der Brandstifter
es ein Protokollant, dann wieder ein in seine schwarze Robe gehüllter Anwalt, der sich mit geübtem Schwung die Pferdehaarperücke auf den Kopf stülpte. Ich sah auch etliche Journalisten, die sich ganz selbstverständlich unter die Prozessbeteiligten mischten und ihren Kollegen zunickten. Eine Anhörung wie diese galt normalerweise nicht als sonderlich interessant, aber Louise North war ein ergiebiger Stoff und Rebecca Haworth ein attraktives Opfer. Das versprach einige Spalten in den Zeitungsausgaben des nächsten Tages zu füllen.
Als die Tür zur Publikumsgalerie knallte, schaute ich unwillkürlich nach oben. Ich musste buchstäblich zweimal hinsehen, als Gil Maddick die Stufen zur ersten Reihe hinunterstieg. In Gerald Haworths Gesicht mochte die Nervosität schwer zu entdecken sein, aber auf dem des jüngeren Mannes war sie unverkennbar. Er hatte in den vergangenen sechs Wochen stark abgenommen, und seine Augen lagen tief in den Höhlen. Unter Entschuldigungen schob er sich die Sitzreihe entlang, bis er an dem freien Platz neben Gerald Haworth angekommen war, welcher mit einem kurzen Nicken seinen Mantel auf den Schoß hob. Schon nach kurzer Zeit begannen die beiden sich zu unterhalten, und mit einem leichten Schreck fiel mir wieder ein, dass Gil die Familie Haworth natürlich gut kannte und dass er viele Male Gast in ihrem Haus gewesen war.
Da öffnete sich eine gänzlich unauffällige Tür hinter der Anklagebank, und ich fühlte ein nervöses Kribbeln in der Magengegend. Die beiden Männer auf der Publikumsgalerie beugten sich weit vor, als Louise hereingeführt wurde. Ihr Haar war zu einem lockeren Pferdeschwanz zurückgebunden, ein paar lose Strähnchen hatte sie sanft aus dem Gesicht gestrichen, wodurch sie sehr nüchtern, ernsthaft und ein ganzes Stück jünger wirkte. Auch sie hatte abgenommen, was ihrer Erscheinung etwas beinahe Ätherisches verlieh, und ihre Augen wirkten sehr groß in ihrem schmalen Gesicht. Sie trug ein schiefergraues Wollkleid, dessen Falten sie umspielten wie die der Ordenstracht einer Nonne. Der einzige Schmuck, den sie sich zugestanden hatte, waren kleine Ohrstecker und eine Silberkette mit Anhänger, die sie über dem hochgeschlossenen Ausschnitt ihres Kleides trug. Die Kette fing das Licht ein und glitzerte zwischen ihren knochigen Schlüsselbeinen. Von ihrer Haut ging ein heller Schein aus, doch es war eher eine sanfte Blässe als ein gesundes Strahlen. Plötzlich musste ich an die schottische Königin Maria Stuart denken, von deren Haut es hieß, sie sei so durchscheinend gewesen, dass man den Rotwein durch die Kehle rinnen sah, wenn sie ihn hinunterschluckte. Louises Gesichtsausdruck war ernst und gefasst. Sie blieb kurz stehen, um sich im Gerichtssaal umzusehen, begegnete gelassen den neugierigen Blicken, doch plötzlich entdeckte sie die beiden Männer unter den Zuschauern. Gerald Haworth hatte sich halb erhoben, und Gil hielt ihn mit ausgestrecktem Arm zurück. Louise starrte die beiden mit verzweifeltem Blick an, und eine Träne rollte ihre schmale Wange hinunter. Sie glitt bis zum Ausschnitt ihres Kleides, wo sie auf dem Stoff einen kleinen dunklen Fleck hinterließ. Ich war kurz davor, Beifall zu klatschen. Was für ein theatralischer Auftritt. Nur schade für sie, dass der Richter, der sich noch hinter den Kulissen befand, ihn verpasst hatte. Noch größeres Pech war, dass es keine Geschworenen zu beeindrucken gab. Und am allertragischsten war der Moment, als ihr Blick von den beiden abschweifte und auf mich fiel, woraufhin ihr kurzzeitig die Gesichtszüge entgleisten. Kalter Hass war noch die höflichste Beschreibung, die mir in den Sinn kam für das, was ich sah. Ich lehnte mich zurück und genoss das Gefühl, gute Arbeit geleistet zu haben.
Plötzlich war ein kurzes, energisches Klopfen zu hören, gefolgt vom » Bitte erheben Sie sich« des Justizangestellten, der in seiner schwarzen Robe und der Perücke dürr und gebeugt aussah. Der vorsitzende Richter Horace Fentiman– klein, gedrungen und mit dicken Brillengläsern– begab sich auf seinen Richterstuhl. Kurzsichtig blinzelte er durch den Saal, und fast sah es aus, als sei er überrascht, Menschen vor sich zu sehen. Louise wurde vom Justizangestellten aufgefordert, aufzustehen und ihren Namen zu bestätigen. Als der Richter schließlich das Wort ergriff, verflog augenblicklich der Eindruck unbeholfener Zerstreutheit.
» Ja, Mr. Barlow«, sagte er zum Vertreter der Anklage, öffnete ein großes rotes
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