Der Brandstifter
Wir haben gerade telefoniert.« Judd verzog das Gesicht. » Ist nicht gerade begeistert.«
» Gut«, erwiderte Godley geistesabwesend, und ich nahm an, dass er ab der Information, dass sie unterwegs sei, schon nicht mehr zugehört hatte. » Also, mein Plan ist folgender: Wir fragen Venetia, was wir ihrer Ansicht nach tun sollen. Unabhängig von ihrer Antwort werden wir Louise North unter Anklage stellen.«
» Wie wollen Sie denn damit durchkommen? Und wenn sie nun sagt, wir müssen sie gehen lassen?«
» Überlassen Sie Venetia ruhig mir, Tom. Ich werde sie schon überzeugen.«
Judds Gesichtsausdruck sprach Bände– Ungläubigkeit, Ehrfurcht und Besorgnis. » Ich will nicht mal darüber nachdenken, wie Sie sich das vorstellen.«
» Brauchen Sie auch nicht«, sagte Godley. » Sie warten einfach, bis ich fertig bin, und sorgen inzwischen dafür, dass von unserer Seite alles vorbereitet ist, um Miss North anzuklagen.«
» Sind Sie sicher?« Ich spürte schon wieder Panik. » Ich meine, wir hatten doch gesagt, dass wir darauf angewiesen sind, dass sie die Tat zugibt, oder? Da waren wir uns doch alle einig. Sie haben selbst gesagt, dass wir ein Geständnis brauchen.«
» Und Sie haben soeben selbst gesagt, dass wir keins bekommen werden. Da stimme ich Ihnen voll und ganz zu. Aber ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die junge Frau in unserem Vernehmungsraum schuldig ist, und habe ernsthaft was dagegen, solche Leute einfach gehen zu lassen.« Er zuckte die Schultern. » Der Prozess ist noch weit weg. Bis dahin ist alles möglich. Wenn wir sie unter Anklage stellen können, fangen die Mühlen der Justiz an zu mahlen, und dann werden wir ja sehen, inwieweit sie sich von der Untersuchungshaft beeindrucken lässt. In Holloway bläst immerhin ein anderer Wind als im beschaulichen Fulham.«
Ich musste an das Haus denken, in dem ich sie besucht hatte, an ihre warme, sonnige Küche, an das kalte Wohnzimmer. » Wir werden sehen. Aber ich wäre mir da nicht so sicher, dass sie sich von der Haft sonderlich beeindrucken lässt. Ich glaube eher, sie wird sich noch mehr in sich zurückziehen und noch unzugänglicher werden. Und wie wir sie da wieder rausholen sollen, weiß ich wirklich nicht.«
» Mit Glück«, entgegnete Godley grinsend. » Mit ein bisschen Glück.«
Er pfiff vor sich hin, als er sich auf den Weg in sein Büro machte, gefolgt von Judd, der wie immer zwei Schritte hinter ihm ging. Ich sah ihnen nach, und die Verblüffung stand mir anscheinend deutlich ins Gesicht geschrieben, denn Pettifer, inzwischen wieder besserer Stimmung, fing an zu lachen.
» So haben Sie Charlie noch nicht erlebt, was? Aber so ist er: Stellen Sie ihn vor ein riskantes Unterfangen, und er ist dabei. Und, was das Wichtigste ist, meistens zahlt es sich aus.«
» Das hoffe ich. Das hoffe ich sehr. Aber was Louise angeht, würde ich keinerlei Wette eingehen. Und vergessen Sie nicht, dass er ja noch Venetia überzeugen muss.«
Wie er es am Ende geschafft hat, werde ich wohl nie erfahren, aber am 18. Dezember erhob Chief Superintendent Godley um zwölf Minuten nach sechs offiziell Anklage gegen Louise North wegen Mordes an Rebecca Haworth. Auf seine Einladung hin war ich zusammen mit den anderen Ermittlern dabei, als Godley in Gegenwart des Haftbeamten die Anklage verlas.
» Louise North, Ihnen werden folgende Straftaten zur Last gelegt: Dass Sie Rebecca Haworth zwischen dem 24. und 26. November 2009 in gesetzeswidriger und gefährdender Weise gefangen gesetzt und gegen ihren Willen festgehalten haben. Dass Sie Rebecca Haworth am 26. November 2009 ermordet haben.«
Während Godley las, sah ich Louise an und versuchte Anzeichen von Angst oder Empörung bei ihr zu entdecken. Sehr gefasst, allerdings mit auffallend blassem Gesicht hörte sie zu. Sexton tätschelte ihr mit seiner fetten Pranke ein paar Mal beruhigend den Arm, aber als einzige Reaktion rückte sie daraufhin ein Stück von ihm ab. Rühr mich nicht an. Sie wirkte klein neben ihm, fast schon zerbrechlich, und bestürzt entsann ich mich, dass sie genauso alt war wie ich. Sie sah viel jünger und absolut harmlos aus. Aber das Äußere kann eben trügen. Ich wartete darauf, dass sie zu mir herüberschaute, doch sie hatte ihren Blick starr auf Godley gerichtet, solange dieser sprach, und bis sie zurück in den Zellentrakt gebracht wurde, schaute sie zu Boden, so als wäre außer ihr niemand anwesend.
Am nächsten Morgen war ich schon zeitig im City of Westminster Magistrates’
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