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Der Brandstifter

Der Brandstifter

Titel: Der Brandstifter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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sich seltsam vermischt mit meinen Sorgen um Louise und meinem Entsetzen, als mir aufging, wie sehr ich mich in ihr getäuscht hatte. In meinem Traum rannte ich finstere Wege entlang, nasse Zweige verfingen sich in meinem Haar und meiner Kleidung, peitschten mir ins Gesicht. Ich sah, wie sie hilflos am Boden lag und das blonde Haar ihren Kopf wie eine Kerzenflamme umloderte. Eine dunkle Gestalt beugte sich über sie– bedrohlich und nicht zu erkennen. Manchmal konnte ich sie vor dem Aufwachen nicht mehr erreichen. Dann wieder erreichte ich sie, und plötzlich war ich es, die am Boden lag. Einmal kam eine finstere Gestalt auf mich zu und rammte mir ein Klappmesser in den Bauch. Aus der Nähe konnte ich die Augen der Gestalt erkennen. Sie waren so silbergrau wie die von Louise. Ich kam zu dem Schluss, dass ich sie wiedersehen sollte, um mir zu vergegenwärtigen, was sie in Wirklichkeit war.
    Zunächst einmal schuldig.
    Erwartungsgemäß beantragte sie wiederum Kaution bei der PCMH -Anhörung am zentralen Gerichtshof. Das war das Gericht, vor dem auch ihr eigentlicher Prozess stattfinden würde. Als ich die Sicherheitskontrollen passierte und auf den Gerichtssaal Nummer Eins zusteuerte, überkam mich eine gewisse Aufregung.
    Noch nie zuvor war ich aus dienstlichen Gründen im Old Bailey gewesen. In jedem einzelnen Korridor dieses Gebäudes schien seine Geschichte widerzuhallen. Über Jahrhunderte hinweg waren hier all die Berüchtigten, die zu Unrecht Beschuldigten, die Gestörten und die wirklich Bösartigen entlanggegangen. Durch eine Flügeltür betrat ich leise den Gerichtssaal Nummer Eins. Er war klein, mit Eichenholz vertäfelt und beherbergte offenbar zurzeit einen langwierigen Prozess, da sich überall auf den Pulten der Anwälte die Unterlagen und Akten stapelten. Man hatte sie jeweils auf eine Seite geschoben, um Platz für die aktuellen Schriftsätze zu Louises Fall zu schaffen. Ich zog es vor, mir einen Platz nahe der Tür zu suchen, statt auf die andere Seite des Saales hinüberzugehen, wo ich mit den anderen Polizeibeamten auf den Bänken direkt hinter den Anwälten gesessen hätte. So saß ich ganz in der Nähe der Anklagebank, die zwar hoch, aber nicht geschlossen war. Ich würde Louise also direkt zu Gesicht bekommen.
    Thaddeus Sexton war bereits da. Schweißperlen traten ihm auf die Stirn, als er sich nach hinten über die Lehne der Anwaltsbank beugte, um Louises Kronanwalt und dessen Assessor etwas zuzuflüstern. Den Kronanwalt hatte ich schon draußen vor dem Gerichtsgebäude gesehen. Er war groß, rotgesichtig, und seinen gewölbten Schädel bedeckte eine dünne Lage grauer Haarsträhnen. Er wirkte so zuversichtlich, als wäre sein Erfolg von vornherein garantiert, und ein leiser Zweifel, ob der Kautionsantrag auch diesmal wieder abgelehnt würde, beschlich mich. Ich schaute nach oben und inspizierte die Publikumsränge über mir. Als Erstes entdeckte ich Gerald Haworth, der ganz am Ende der ersten Reihe saß, direkt in Louises Blickrichtung. Das war vermutlich Absicht, und ich hoffte inständig, dass er keinen Auftritt liefern würde, wenn Louise aus dem Zellentrakt hereingeführt wurde. Er war tadellos gekleidet wie immer, heute in einen dunkelgrauen Anzug mit einer Krawatte in nüchternem Blau. Er wirkte vornehm, aber unauffällig, und man hätte nie vermutet, dass er in direkter Beziehung zu Opfer und Angeklagter stand, geschweige denn, dass er überhaupt eine emotionale Verbindung zu den Vorgängen hatte. Es sei denn, man bemerkte die leichte Nervosität um seine Augen oder die verkrampften Kaumuskeln, als der Justizangestellte im Saal hin und her eilte und mit den Anwälten scherzte, die schon an ihrem Platz saßen. Seine Selbstbeherrschung wirkte äußerst fragil, als würde schon der kleinste Anlass ausreichen, um sie zunichtezumachen. Natürlich wusste ich– und zwar besser als manch anderer–, dass Wohl und Wehe des einen gleichzeitig Butter und Brot für den anderen bedeuteten. Schließlich war das auch mein Job– auch ich lebte von den Tragödien anderer Menschen. Und man konnte einfach nicht erwarten, dass die Gerichtsmitarbeiter permanent ehrfürchtig schweigend einherschritten, wie schwerwiegend die bevorstehende Anklage auch sein mochte. Das Geplänkel war freundlich und harmlos, aber ich konnte Gerald Haworth verstehen. Es musste sehr verletzend auf ihn wirken.
    Die Tür hinter mir öffnete sich unablässig, und ich konnte nicht anders, als mich jedes Mal umzudrehen. Einmal war

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