Der Brandstifter
Freiheitsstrafe dem Prozess fernbleibt. Sie hat weder Familie noch engere Kontakte in ihrem Umfeld. Ihr stehen beträchtliche Geldmittel zur Verfügung, die nicht gesperrt sind und es ihr erlauben würden, sich der Gerichtsbarkeit zu entziehen. Da sie bereits mit außergewöhnlicher Raffinesse versucht hat, der strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen, besteht aller Grund zu der Annahme, dass sie erneut so handeln würde, um einer drohenden Verurteilung zu entgehen.«
» Meine Mandantin besitzt einen guten Leumund– sie ist eine angesehene Rechtsanwältin und frei von Vorstrafen«, entgegnete Sexton. » Es gibt Alternativen zur Untersuchungshaft. Sie könnte mit einem Ausgehverbot belegt und mithilfe einer elektronischen Fußfessel überwacht werden. Sie ist bereit, sich täglich bei der zuständigen Polizeiwache zu melden. Sie würde ihren Ausweis hinterlegen und sich ausschließlich unter ihrer Wohnadresse aufhalten.« Er sprach eindringlich, während er leicht auf seinen Fußballen auf und ab schaukelte und sich sichtlich Mühe bei der Präsentation seiner Argumente gab, die die Richterin nach drei Sekunden Bedenkzeit mit sehr knappen Worten ablehnte.
» Eine Freilassung gegen Kaution wird abgelehnt, da es ernst zu nehmende Gründe für die Annahme gibt, dass die Angeklagte im Falle einer Freilassung nicht zum Prozess erscheinen würde. Die Angeklagte ist abzuführen.«
Die Vollzugsbeamten wollten Louise in die Zelle zurückbringen, doch sie blieb für einen Moment reglos stehen und blickte quer durch den Gerichtssaal zu der Stelle, wo Gil saß. Ihr Gesicht war vollkommen ausdruckslos. Ich drehte mich auf meinem Platz nach ihm um und sah, wie verstört er wirkte. Als sie schließlich weggebracht wurde, sprang er auf und eilte aus dem Gerichtssaal, noch ehe ich seine Aufmerksamkeit gewinnen konnte.
Ich blieb im Saal sitzen und dachte nach, während ein Gefangener nach dem anderen in der Anklagebank erschien und mit seinem weiteren Schicksal konfrontiert wurde. Gil hätte eigentlich stinksauer auf Louise sein sollen– musste er doch begriffen haben, dass Louise versucht hatte, ihm diesen Mord anzuhängen, nachdem er die Zusammenfassung der Anklageschrift gehört hatte. Aber es sah eher danach aus, als sei es genau anders herum. Von Louise ging keine Liebe aus– so viel war klar. Aber Gil wirkte, als hätte es ihn voll erwischt. Ich seufzte. Der Mensch war schon seltsam– die Liebe allerdings noch viel mehr.
Und von Rob hatte ich nichts mehr gehört, seit wir vor zwei Tagen auseinandergegangen waren.
Die sechs Wochen zwischen Louises Erscheinen vor dem Amtsgericht und der nächsten Anhörung vergingen wie im Fluge. Dazwischen lagen Weihnachten und Silvester und, nicht zu vergessen, diese unbeschreiblich ausgelassene Weihnachtsfeier, bei der Godley seine Kreditkarte an der Bar hinterlegte und die Jungs sich die allergrößte Mühe gaben, bis ans Limit zu trinken. Ansonsten waren wir nach wie vor damit beschäftigt, die Prozesse gegen Razmig Selvaggi und Louise North vorzubereiten, und ständig kamen neue Aufgaben hinzu. Aber dennoch hatte der Druck erheblich nachgelassen. Wir standen nicht mehr unter ständiger Beobachtung. Wir hatten unseren Teil getan.
Sechs Wochen waren eine lange Zeit, in der sich auch für mich einiges änderte. Zum einen hatte ich eine Wohnung zur Miete gefunden und zog um nach Camden. Streng genommen war das eine Verschlechterung verglichen mit der Wohnung in Primrose Hill, aber ich fand es einfach wundervoll, wieder in meinen eigenen vier Wänden zu wohnen, egal, wie winzig und eng es auch sein mochte.
Und dann war da natürlich noch Rob. Ich war mir immer noch nicht ganz sicher, was das eigentlich mit uns werden sollte, und er vermutlich auch nicht. Wir hüteten uns beide davor, allzu schnell Nägel mit Köpfen zu machen. Obwohl er mich allem Anschein nach mochte, war ich mir keineswegs sicher– ob ich ihm vertrauen konnte, ob ich meinen Platz in der Mordkommission riskierte und ob ich mich nach der Trennung von Ian vielleicht vorschnell auf eine neue Beziehung einließ. Und was Rob davon hielt, wusste ich auch nicht. Aber ich dachte oft über ihn nach. Öfter, als ich mir eingestehen wollte.
Alles in allem war also eine Menge passiert.
Doch die ganze Zeit ging mir Louise nicht aus dem Kopf. Ich hatte mehrfach von ihr geträumt und war jedes Mal panisch und mit ausgetrocknetem Mund aus dem Schlaf hochgeschreckt. Die Ereignisse der Nacht, in der Selvaggi verhaftet wurde, hatten
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